Dr. med. Dipl. Biol
Bernd-Michael Löffler
ImM (Institut für mitochondriale Medizin)
PpmM (Privatpraxis für präventive und Mitochondrial Medizin)
Pfalzburger Str. 43-44; 10717
Kontakt über: info@imm.institute

Stellungnahme

Warum alle Menschen in Deutschland eine Bestimmung zumindest der wichtigsten Parameter des Hormon D3-Systems (Calcium, Magnesium, Parathormon, 25-OH-D3 (Calcidiol) und 1,25-dOH-D3 (Calcitriol)) durchführen lassen sollten, um dann ihren individuellen Mangel durch eine gezielte Substitution mit Vitamin D3 auszugleichen und warum sie Vitamin D3 substituieren sollten.

Am Mittwoch den 25. Januar 2023 erreichte mich abends eine Mail mit dem Inhalt, den Sie weiter unten im Text lesen können. Der Verfasser dieses Textes ist nach meinen Informationen ein Heilpraktiker mit angeschlossenem Labor. Die von ihm aufgestellten Behauptungen sind allesamt derart falsch, unbewiesen und widerlegbar, dass sie nicht unkommentiert bleiben dürfen. Meine Stellungnahme dazu, die Sie im Folgenden lesen können, ist umfangreich und, der Länge wegen, vielleicht im ersten Moment etwas abschreckend. Ich habe mich aber trotzdem bewusst dazu entschlossen, weil es aus meiner Sicht nicht nur bei „Normalbürgern“ und Patienten, sondern auch bei vielen Therapeuten und Medizinern an sachlicher Information fehlt. Dieser Mangel an Informationen wird von unprofessionellen und kontrafaktischen „Veröffentlichungen“ zielgerichtet misbraucht, auf das diese Falschaussagen durch die Medien weiterverbreitet werden.

Hierzu ein illustrierendes Beispiel aus der renomierten Wochenzeitung „DIE ZEIT“ (»Vitamin D im Winter – Im Zweifel besser nichts ein­schmeißen« von Filipa Lessing, Freie Autorin für ZEIT Wissen, 26. Januar 2021). Sie finden diesen Text im Anhang. Die darin gemachten Aussagen sind falsch, die zitierte Literatur ist nicht zielführend und das Robert-Koch-Institut wird falsch zitiert.

Ich habe mich nicht nur zu dieser Stellungnahme entschlossen, sondern zudem dazu, diese auf meiner Internet Homepage zugänglich zu machen, weil die Behauptungen und Vorwürfe, die in diesem Text enthalten sind, einer Beantwortung in einer größeren Öffentlichkeit bedürfen. Deshalb werde ich sie zudem anderen Laboren, mit denen ich zusammenarbeite, wie auch dem NEM-Verband (größter Verband der Nahrungsergänzungsmittel-Industrie in Europa) und weiteren mir bekannten Veranstaltern von Konferenzen und Workshops, die sich mit ganzheitlicher Medizin beschäftigen, zur Verfügung stellen, und diese um geeignete Verbreitung bitten. Ich betreibe jetzt seit 17 Jahren in meiner Privatpraxis präventive mitochondriale Medizin und masse mir an, ein Fachmann im Bereich Vitamin D3 zu sein. Wir messen bei allen unseren Patienten den Vitamin D-Stoffwechsel und im großen Basis-Labor auch den Leber- und Nierenstoffwechsel. Bisher haben wir bei ca. 7500 Patienten solche Messungen durchgeführt. Der überwiegende Anteil > 90% lit unter einem Vitamin D-Mangel (den es ja nach Behauptung des Text-Verfassers angeblich gar nicht gibt). Alle diese Patienten haben wir weiterhin in der Langzeit-Verfolgung. Keiner dieser Patienten hat unter einer Vitamin D-Substitutionstherapie jemals die vom erwähnten Text-Verfasser behaupteten Leber- oder Nierenstoffwechsel-Erkrankungen erlitten. Keiner dieser Patienten hatte jemals eine Überdosierung, und schon gar nicht eine „gefährliche“ (wie im „ZEIT“-Artikel erwähnt).

Darüber hinaus habe ich mich dazu entschlossen, an die Herausgeber des New England Journal of Medicine und des Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism zu schreiben, und diese zur Zurücknahme der Publikation von Anastassios et al. und von Chatterjee et al.  aufzufordern Diese beiden Studien sind schlecht durchgeführt und berechtigen nicht zu der Schlußfolgerung, dass Vitamin D keine präventiven Effekte in den Indikationen Typ 2 Diabetes bzw. Colon Carcinom haben kann. Auch dieses Scheiben werde ich auf meiner Internet Homepage publizieren. Meine Stellungnahme ist – der Komplexität des Sachverhalts geschuldet – etwas länger.

Der Text des Heilpraktikers

(Grundlage meiner Stellungnahme)

>> Ich möchte betonen, dass ich keine These zu Vitamin D vertrete. Ich gebe nur weiter, was Wissenschaftler erkannt haben und was die Kumulativbefundrecherchen meiner medizinisch wissenschaftlichen Abteilung herausgefunden haben und eindeutig belegen können – fernab des von Großkonzernen, Meinungs- und Geschäftemachern und nachplappernden Therapeuten befeuerten Vitamin D-Hypes.

Nachfolgend pragmatisch aufgezeichnete und ermittelte Beobachtungen und Ergebnisse der statistisch relevanten Kumulativbefundrecherchen insbes. im Hinblick auf die Frage, was Laborreagenzien leisten können: Eine Vitamin D-Supplementierung nutzt niemandem – außer dem Hersteller. Anders ausgedrückt: Die Sonne macht ein ganz anderes Vitamin D als die Pharmaindustrie. Durch UVB-Strahlung wird in der Haut aus Cholesterin Vitamin D3-Sulfat erzeugt, ein wasserlösliches Vitamin oder Prohormon, das nicht überdosiert werden kann. Ausnahmslos alle bekannten positiven Wirkungen gehen von diesem körpereigenen Vitamin D aus. Vitamin D in Pillenform hat mit dem natürlichen Vitamin D nichts zu tun. Im Gegenteil: Das synthetische Vitamin D blockiert die Bildung des körpereigenen Vitamin D; damit blockiert es auch den vom körpereigenen Vitamin D ausgehenden Infekt-, Krebs- und Osteoporose-Schutz. Das „Vitamin“ D in Pillenform ist kein Vitamin, sondern ein Steroidhormon. Rheumatiker und Asthmatiker unter Dauer-Kortison-Therapie entwickeln durchschnittlich nach 20 Jahren Kortison-Einnahme eine iatrogene Osteoporose. Vitamin D schafft das manchmal in nur vier Monaten.

Der Hype basiert auf drei Lügen:

  1. Behauptung: Synthetisches Vitamin D hat im Organismus die gleichen Wirkungen wie das Sonnenhormon.
    Die Wahrheit ist: Synthetisch hergestelltes Vitamin D weist zwar gewisse strukturelle Ähnlichkeiten mit dem natürlichen mittels UVB-Strahlung aus körpereigenem Cholesterin in der Haut gebildeten Vitamin D auf, es hat aber gänzlich andere – zum Teil gegensätzliche – Wirkungen.
  2. Behauptung: Synthetisch hergestelltes Vitamin D hat viele positive Wirkungen auf den menschlichen Organismus, z. B. stärkt es das Immunsystem.
    Die Wahrheit ist: Das synthetische Vitamin D ist ein Steroidhormon, also ein Immunsuppressivum. Es schwächt das Immunsystem und blockiert alle positiven Wirkungen, die ausschließlich vom natürlichen Vitamin D ausgehen.
  3. Behauptung: Den Vitamin D-Spiegel im Organismus kann man im Blut messen.
    Die Wahrheit ist: Laborreagenzien sind so gebaut, dass sie gleichermaßen auf das synthetische und natürliche Cholecalciferol reagieren. Die Messung des sogenannten Speicherhormons 25-OH-Cholecalciferol beruht jedoch auf einem Denkfehler. Das Blut ist nämlich gar nicht Speicherplatz für 25-OH. Speicherplatz ist das Fettgewebe und die Leber. Man müsste also eine Stanzbiopsie durchführen. Der Wert im Blut ist immer nur eine Momentaufnahme und nur hoch, wenn synthetisch substituiert wurde. Wer nicht substituiert, hat auch im Hochsommer selten Werte über 35 ng/ml. Die Arzneimittelfirmen propagieren jedoch diesen Wert, weil fast immer niedrige Werte herauskommen, was die Kassen klingeln lässt.

 

Die aktive Form des Vit. D ist bei in Deutschland lebenden Menschen sehr selten zu niedrig. Prinzipiell können Vitamin D-Mangelzustände in Deutschland nicht vorkommen, weil wir sehr lichtreiche Monate (März – September) haben. Weil die Halbwertzeit von Vitamin D in der zellulären Speicherung fast ein dreiviertel Jahr beträgt, sind die Speicher auch im April noch ausreichend gefüllt, selbst wenn die letzten Sonnenstrahlen im August waren. Eine genauere Analyse stellt die Messung des zellulär aktiven Vitamin D dar: 1,25-DiOH-Cholecalciferol. Dieser Wert wird jedoch selten propagiert, weil nie pathologische Werte herauskommen. Im Rahmen unserer Kumulativbefundrecherchen haben wir die Ergebnisse der letzten 1.500 durchgeführten 1,25-DiOH-Cholecalciferol-Messungen ausgewertet. Danach hatte kein einziger Patient einen Vitamin D-Mangel.

Es gibt keinen vernünftigen Grund, in Deutschland lebenden Menschen synthetisches Vitamin D (egal, ob als Monopräparat oder versteckt z. B. in LaVita) zu verordnen. Aufgrund unserer Beobachtungen, einer Nutzen-Risiko-Abwägung und der Tatsache, dass der Körper Vitamin D mittels Lichteinwirkung aus Cholesterin in der Haut selbst bildet, empfehlen wir, auf die Einnahme von Cholecalciferolpräparaten zu verzichten. Stattdessen empfehlen wir die einzige naturheilkundliche Therapie: Vermehrter Aufenthalt im Freien und eine vitalstoffreiche Vollwertkost mit hohem Frischkostanteil.

Ca 60 % der Menschen vertragen Cholecalciferol-Präparate gut, zumindest werden keine Nebenwirkungen empfunden. Cholecalciferol hat – wie andere Steroidhormone auch – symptomatische entzündungshemmende, schmerzhemmende und aufputschende Wirkungen. Davon profitieren insbes. Patienten mit arthrotischen, muskelrheumatischen und entzündlichen Autoimmunerkrankungen. Dennoch müssen diese Menschen bei fraglichem Nutzen sehr viele Nebenwirkungen in Kauf nehmen. Cholecalciferol hat deutlich mehr Nebenwirkungen als Kortison-Präparate.

Mit zunehmendem Alter bei immer geringeren Dosierungen (schon ab 1.000 I.E./Tag) entwickeln in % der untersuchten Personen labordiagnostisch nachgewiesene Erkrankungen (Circaangaben):

  • 38 % mitochondriale Schädigungen des Nierenparenchyms (Anstieg von Gesamt-Eiweiß, Kreatinin, Cystatin C). Allein in meinem persönlichen Umfeld bekamen in den letzten beiden Jahren drei Menschen infolge der Vitamin D-Einnahme eine Nephrosklerose, nachfolgend akutes Nierenversagen – sie hängen jetzt bis an ihr Lebensende an der Hämodialyse. Vor einigen Wochen: ein 16jähriger Junge, dessen Mutter ihm acht Jahre lang LaVita-Saft mit synthetischem Vitamin D eingeflößt hat, wartet jetzt auf eine Spenderniere.
  • 30 % mitochondriale Schädigungen des Leberparenchyms (Anstieg der Transaminasen, insbes. GLDH). Im Einzelfall: Bild eines Leberzellkarzinoms mit metastasierenden Prozessen im Skelettsystem.
  • 33 % Osteoporose (Anstieg von Serum-Calcium, Alkalische Phosphatase, Ostase)
  • 25 % Autoimmunerkrankungen (Anstieg von ANA, CCP-AK, TPO-AK)
  • Folgende Blutveränderungen werden bei chronischer Vitamin D-Einnahme beobachtet: Anstieg: Hämatokrit, Calcium, Kupfer, Gesamt-Eiweiß, Kreatinin, Cystatin C, Alkalische Phosphatase, Ostase, Gamma-GT, GOT, GPT, GLDH, Cholesterin, Autoimmun- und Tumormarker, insbes. PSA. Abfall: GFR, Antikörper der primären Immunantwort (IgM), Parathormon.

Quelle: Kumulativbefundrecherche, resultierend aus 32.755 25-OH-Cholecalciferol- und 2.319 1,25-DiOH-Cholecalciferol-Messungen. Erfasst wurden nur Personen, die mind. drei Monate lang mind. 1.000 I.E. Cholecalciferol substituiert haben und um mind. 20 % im Vergleich zum Vorbefund höhere Befundparameter im pathologischen Bereich aufwiesen.

Diese Ergebnisse decken sich mit den neuesten Studien: In einer ganz aktuellen Übersichtsarbeit wurden aktuelle Studien mit den Studiendesigns randomisierte Placebo-kontrollierte Studien und Mendelsche Randomisierungs-Studien zu Vitamin D zusammengefasst (Nature Reviews Endocrinology 2022; 18: 96).

So wurden unter anderem in der VITAL-Studie über 25.871 Erwachsene Placebo-kontrolliert mit täglich 2.000 I.E. Vitamin D über 5,3 Jahre supplementiert. Bei der ViDA-Studie waren es über 5.000 Studienteilnehmer über 3,3 Jahre, bei der D2d-Studie über 2.400 mit einer mittleren Beobachtungszeit von 2,5 Jahren.

In keiner dieser mit höchster wissenschaftlicher Evidenz durchgeführten Studien konnte der jeweilige primäre Endpunkt erreicht werden: Es gab keine Reduktion der Entwicklung von Krebs, kardiovaskulären Erkrankungen oder der Progression zum Typ-2-Diabetes oder der Mortalität.

Bei einer Fortführung der VITAL-Studie wurde das Depressionsrisiko in einem 2×2 faktoriellen Design mit randomisierter Zuordnung zu 2.000 I.E./d Cholecalciferol und Fischöl oder Placebo untersucht. Die Ergebnisse der Studie: Das Risiko für Depressionen oder depressive Symptome unterschied sich nicht zwischen der Vitamin-D-Gruppe (609 Ereignisse; 12,9/1.000 Personenjahre) und der Placebogruppe (625 Ereignisse; 13,3/1.000 Personenjahre). Damit widerlegen die Ergebnisse die Annahme, dass eine Ergänzung von oralem Vitamin D zur Prävention von Depressionen sinnvoll ist. Dies ist laut der Autoren vergleichbar mit anderen kleineren randomisierten kontrollierten Studien, die ebenfalls keinen Einfluss auf das Auftreten von Depressionen feststellten und damit keine Kausalität herstellen konnten.

Die beste Vitamin-D-Therapie scheint somit nicht die Pille, sondern der Weg in die Natur zu sein. Menschen in Deutschland haben somit das Potenzial, fast eine Milliarde Euro zu sparen.<<

 

Meine Stellungnahme

Die folgenden Abschnitte enthalten z.T. Zitate aus Original-Arbeiten, die ich hier in Englisch wiedergebe, weil es mir wichtig ist, den Leserinnen und Lesern die „Originalität“ aufzuzeigen. Unsere (westliche) Wissenschaftssprache ist Englisch, obwohl es auch vereinzelt Publikationen in Französisch, Spanisch, und Portugiesisch gibt.  Damit die Leser die Zitate besser verstehen können, habe ich die wichtigen Original-Zitate auf Deutsch übersetzt.

Zu den Begriffen „Sonnenvitamin bzw. Sonnenhormon“

Beide Begriffe sind inhaltlich falsch. Die Sonne produziert weder „Vitamine“ noch Hormone. Vitamine sind, per Definitionem, chemische Verbindungen, die der menschliche Körper selber nicht herstellen kann (z.B. Vitamin C, E, B1, B2, B3, B5, B6, B9, B12, usw), und die wir deshalb mit der Nahrung zu uns nehmen müssen. Ist die Versorgung über die Ernährung unzureichend, entstehen Vitamin-Mangelzustände, die immer über kurz oder lang zu chronischen Erkrankungen führen. Vitamin C ist z.B. nur für Menschen, Menschenaffen und Meerschweinchen ein echtes Vitamin, alle anderen Tiere (Schweine, Kühe, Pferde usw.) können Vitamin C selber synthetisieren und tun dies auch in Mengen, die ihrem individuellen, über die Jahreszeit unterschiedlich hohen, Bedarf angepasst sind. Eine Katze produziert z.B am Tag zwischen 3g und 12 g (3‘000mg – 12‘000 mg!) Vitamin C, was alleine schon die offiziellen „Empfehlungen“ (60mg – 100 mg/Tag) für den Menschen in den offizienen RDA’s (Recommended Daily Allowances) ad absurdum führen würde. Diese offiziellen Empfehlungen sind primär (wirtschafts)politisch motiviert, und haben mit Physiologie und Gesundheit leider oft wenig zu tun.

Vitamin D [Cholecalciferol; 25-OH-D3 (Calcidiol); 1,25-dOH-D3 (Calcitriol)] sind (Pro-)Hormone, Cholecalciferol ein Prohormon, die anderen sind Hormone. Der Verfasser des obigen Textes kommt schon hier mit den Begrifflichkeiten nicht klar. Aus Cholecalciferol, einem Pro-Hormon, entstehen im menschlichen Körper die Hormone Calcidiol und Calcitriol. Beide sind stoffwechselaktive Hormone. Die Sonne produziert keine Hormone, Hormone sind immer eine Stoffwechselleistung unseres Körpers. Mit Hilfe von UVB-Licht kann in der Haut unseres Köpers unter geeigneten Bedingungen aus 7-dehydro-Cholesterol das Prohormon Cholecalciferol produziert werden. Der bis heute, auch in der ernst zu nehmenden wissenschaftlichen Literatur, leider fortbestehende Begriffs-Wirwar hat vor allen wissenschaftshistorische Gründe, wird aber bewusst von bestimmten Interessengruppen misbraucht.

Im Jahre 1903 erhiellt Niels Finson den Nobel Preis für Medizin und Physiologie für seine Theorie zur Heilung des Lupus Vulgaris (Haut-Tuberkulose) mittels Phototherapie. Er stellte schon vor 120 Jahren fest, dass dazu die Sonneneinstrahlung in nördlichen Ländern nicht ausreicht, um gesund zu bleiben. Bis 1927 blieb die Struktur des Prohormons Cholecalciferol unbekannt. 1927 veröffentlichte dann der deutsche Chemiker Adolf Windaus die chemische Struktur von Cholecalciferol und erhielt 1928 den Nobelpreis für Chemie für „… seine Verdienste um die Erforschung des Aufbaues der Sterine und ihres Zusammenhangs mit den Vitaminen und ihres Zusammenhanges mit den antirachitischen D-Vitaminen.“ Adolf Windhaus gilt als „Vater der Rachitisprophylaxe“, die noch bis in die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts durchgeführt wurde, indem Kinder unter eine sog. Höhensonne gelegt oder gesetzt wurden.

Rachtis, direkte Folge eines „Vitamin“ D-Mangels, war zu Beginn des letzten Jahrhunderts ein riesiges medizinisches Problem. Ihre Symptome waren: Knochenerkrankungen (Prävalenz im 19. Jahrhundert: bis zu 60% in Skandinavien und bis zu 80% z.B. in Bosten, USA); Herzinsuffizienz; Niereninsuffizienz; Infektionen (z.B. Lungenentzündung); Hohe Mortalitätsraten (250 Todesfälle/1000 Lebendgeburten bei Kindern in Europa unter 5 Jahren im Jahr 1900).

Allein diese Ausführungen sollten schon ausreichen, die Absurdität der Behauptungen des Text-Verfassers  „Es gibt keinen vernünftigen Grund, in Deutschland lebenden Menschen synthetisches Vitamin D (egal, ob als Monopräparat oder versteckt z. B. in LaVita) zu verordnen.“ darzustellen.

Das Prohormon Cholecalciferol gibt es in unserer „Ernährungsumwelt“ in Kaltwasser-Fisch, z.B. in Lachs, Hering, Makrele. Wir brauchen wohl nicht lange darüber zu diskutieren, dass diese Tiere die Sonne erst dann „sehen“, wenn wir sie aus dem Meer gefischt haben. Es verhält sich also ähnlich wie mit „Vitamin C“: was für uns ein Vitamin ist, ist es für gewisse Tiere nicht, da diese Tiere die Substanz in ihrem körpereigenen Stoffwechsel selber herstellen können.

Vitamin D ist nicht gleich Vitamin D: Eine Studie aus dem Jahr 2017 zeigt, dass es zwischen Vitamin D2 und D3 große Unterschiede im Hinblick auf die Wirkung gibt. Bleibt daher die Frage: wirkt eine Form des Vitamins D besser als die andere?

Lange galten die Vitamin-Formen D2 und D3 als gleichwertig, was die Anhebung des Vitamin D-Spiegels im Körper betrifft. Eine Studie der Universität von Surrey belegte allerdings, dass die Wirkung von Vitamin D3 jener von Vitamin D2 weit überlegen ist.

Siehe dazu auch „25(OH)D2 half-life is shorter than 25(OH)D3 half-life and is influenced by DBP concentration and genotype.“ Jones KS, Assar S, Harnpanich D, Bouillon R, Lambrechts D, Prentice A, Schoenmakers I. J Clin Endocrinol Metab. 2014 Sep; 99(9):3373-81. doi: 10.1210/jc.2014-1714. Epub 2014 Jun 2. PMID: 2488563

Vitamin D2, Ergocalciferol, kommt in der Natur vor allem in Pilzen vor. Es wird (vor allem) in den USA als orale Form für die Supplementierung von Vitamin D angeboten. Es muss allerdings in unserem Körper erst einmal in das Prohormon Cholecalciferol, also Vitamin D3, umgewandelt werden.

Die Worte „Sonnenvitamin“ und „Sonnenhormon“ sind überall und von allen, die sie benutzen, bewusst eingesetzte schön klingende, esoterische Begriffe, die bei den heutigen Lesern eine ausgeprägte Sehnsucht nach der Natur, zu der wir (leider) weitgehend den Kontakt verloren haben, auslösen sollen. Sie sind daher ein gezielt genutztes Instrument der gelenkten Meinungs- und Entscheidungsbeeinflussung, weil (nach Walter Lippmann, dem Autor von „Public Opinion“ im Jahr  1922) der „Durchschnittsbürger“ angeblich überfordert sei, komplexe Zusammenhänge zu durchschauen. Letzteres liegt aber viel eher daran, dass dem „Durchschnittsbürger“ bewusst und vorsätzlich differenzierte, auf wissenschaftlichen Fakten basierende, leicht verständliche Information vorenthalten wird.

Zum Begriff „Kumulativbefundrecherche“

Was dies sein soll, wird wohl das alleinige Geheimnis des Text-Verfassers bleiben. Aber schauen wir auch hier kurz ins Detail: „Kumulativbedeutet sich anhäufend, aufsummierend, steigernd. „Befund“: ist ein nach Untersuchung festgestelltes Ergebnis, also medizinisch relevante, körperliche oder psychische Erscheinungen, Gegebenheiten, Veränderungen und Zustände eines Patienten.  „Recherche“:  bezeichnet die gezielte, nicht beiläufige, Suche nach Informationen.

Also: einem Befund, im medizinischen Kontext, geht eine Anamnese voran, aufgrund derer Verdachtsdiagnosen erhoben werden, die dann in geeignter „spezifischer“ Weise  verifiziert (bestätigt) oder falzifiziert (ausgeschlossen) werden. Dazu kann natürlich auch die Erhebung von Laboranalysen gehören. „Kumulieren“ kann man nur Befunde, die zum gleichen Krankheits- beziehungsweise Symptom-Komplex gehören. Das gleiche gilt natürlich auch für Recherchen. Ich kann in PubMed, der grössten englischsprachigen wissenschaftlichen Literaturbank den Suchbegriff „Vitamin D“ eingeben. Dann bekomme ich zurzeit ca. 100‘000 Volltext-Publikationen angeboten. Und was weiss ich dann? Eigentlich nichts. Viel eher müsste ich anfangen, spezifischer zu suchen, z.B. nach den Begriffen „Vitamin D“ und „Typ-2-Diabetes“ [Suchresultate am 11.02.23: für „Vitamin D“ 99552 Treffer; für „Vitamin D“ und „T2D“ 192 Treffer; für „Vitamin D“ und „Typ 2 Diabetes“  2147 Treffer (man achte auf die Unterschiede und Feinheiten bei der Formulierung der Suche!); für „Vitamin D“ und „Type 2 Diabetes“ und „clinical randomized trials“ 207 Treffer; für „Vitamin D“ und „Typ 2 Diabetes“ und „randomized clinical trials“ und „metaanalysis“  77 Treffer]. Aufgrund dieser Tatsache habe ich nicht den Eindruck, dass der Text-Verfasser (oder sein „medizinisch-wissenschaftliches“ Team) die Grundlagen einer „Recherche“ auch nur annähernd begriffen hat.

Weil den Laboren von vielen Einsendern Laborproben zur Messung eingesendet werden, von denen die Labore in den allermeisten Fällen den „Hintergrund“ (d.h. die Anamnese, Verdachtsdiagnose etc.) nicht kennen, würde kein seriöses Labor auch nur im Ansatz auf die Idee kommen, diese Laborbefunde „kumulativ“ aufzuaddieren und darauf basierend irgendwelche Schlußfolgerungen zu ziehen, bloss weil z.B. in allen Analysen Calcidiol zur Bestimmung in Auftrag gegeben wurde.  Eine „Kumulativ-Befund-Recherche“ in den vom Text-Verfasser immer wieder bemühten Zusammenhängen gibt es also schlichtweg nicht!

Zu den summarischen Behauptungen des Text-Verfassers (basierend auf seinen „Kumulativbefundrecherchen“):  38% mitochondriale Schädigungen des Nierenparenchyms; 30% mitochondriale Schädigungen des Leberparenchyms; 33% Osteoporose; 25 % Autoimmunerkrankungen. Für diese nicht belegten Behauptungen des Text-Verfassers gibt es keine wissenschaftliche  Grundlage. Im Gegenteil! Ich verweise hier noch einmal auf die Situation zu Beginn des 20. Jahhunderts und auf die oben „summarisch“ wiedergegebenen, durch „Vitamin D-Mangel“ bedingten, chronischen Erkrankungen.

An dieser Stelle möchte ich die aktuelle Literatur-Basis von Vitamin D3-Mangel und Osteoporose etwas beleuchten: zu Vitamin D-Mangel und Osteoporose gibt es gegenwärtig in PubMed 3590 Artikel. Davon 1025 Übersichtsartikel, 117 klinische Studien, 84 randomisierte klinische Studien und 23 Metanalysen (die leider nicht alle auf Vitamin D-Mangel und Osteoporose fokussieren, ein leider häufiges Teilproblem bei einer Literatur-Recherche). Ich zitiere hier eine valable Metaanalyse:

Crit Rev Food Sci Nutr. 2020; 60(7):1094-1103. doi: 10.1080/10408398.2018.1558172. Epub 2019 Jan 13. „Efficacy of vitamin D fortified foods on bone mineral density and serum bone biomarkers: A systematic review and meta-analysis of interventional studies.“ Hadith Tangestani, Kurosh Djafarian, Hadi Emamat, Niloufar Arabzadegan, Sakineh Shab-Bidar

>> „Vitamin D fortified foods (VDFs) were taken into consideration due to the high prevalence of osteoporosis worldwide. However, the efficacy of VDFs on bone health has not been fully examined. The current meta-analysis was conducted in order to summarize the impacts of VDFs on serum 25-hydroxyvitamin D (25(OH)D), bone mineral density (BMD), and bone turnover markers (BTM). A systematic search up to October 2017 was done via PubMed and Scopus search engines. To pool mean differences, random-effects model (the DerSimonian-Laird estimator) was used. Heterogeneity among studies was examined by Cochrane Q test. 20 trials involving 1786 subjects were included in this meta-analysis. Based on random effect model, there were significant effects of VDFs on serum 25(OH)D (MD:16.94 nmol/L 95% CI: 13.38, 20.50; p < 0.001, I2 = 99.0%), BMD (MD: 0.03 gr/cm2; 95% CI: (0.02, 0.05); p < 0.001, I2 = 58.8%) and paratormone hormone (PTH; MD:-9.22; 95% CI: (-14.97, -3.46); p = 0.002, I2 = 98.8%). VDFs may increase serum 25(OH)D and BMD while decrease serum PTH levels. We did not find any beneficial effect of VDFs on BTM.“ << [Fettdruck vom Autor]

Übersetzung:

[Mit Vitamin D angereicherte Lebensmittel (VDF) wurden aufgrund der weltweit hohen Prävalenz von Osteoporose in Betracht gezogen. Die Wirksamkeit von VDFs auf die Knochengesundheit ist jedoch noch nicht vollständig untersucht worden. Die aktuelle Meta-Analyse wurde durchgeführt, um die Auswirkungen von VDFs auf Serum-25-Hydroxyvitamin D (25(OH)D), Knochenmineraldichte (BMD) und Knochenumsatzmarker (BTM) zusammenzufassen. Es wurde eine systematische Suche bis Oktober 2017 über die Suchmaschinen PubMed und Scopus durchgeführt. Zur Zusammenführung der Mittelwertunterschiede wurde ein Modell mit zufälligen Effekten (der DerSimonian-Laird-Schätzer) verwendet. Die Heterogenität zwischen den Studien wurde mit dem Cochrane-Q-Test untersucht. 20 Studien mit 1786 Probanden wurden in diese Meta-Analyse einbezogen. Auf der Grundlage eines Modells mit zufälligen Effekten zeigten sich signifikante Auswirkungen von VDF auf den Serumspiegel von 25(OH)D (MD: 16,94 nmol/L 95% CI: 13,38, 20,50; p < 0,001, I2 = 99. 0%), BMD (MD: 0,03 gr/cm2; 95% CI: (0,02, 0,05); p < 0,001, I2 = 58,8%) und Paratormonhormon (PTH; MD:-9,22; 95% CI: (-14,97, -3,46); p = 0,002, I2 = 98,8%). VDFs können den Serumspiegel von 25(OH)D und BMD erhöhen und den PTH-Spiegel im Serum senken. Wir fanden keinen positiven Effekt von VDFs auf BTM.]

Die absolute Mehrheit der Studien kommt zu dem Ergebnis, dass ein Vitamin D3-Mangel kausal mit einer verminderten Knochendichte und damit mit einem erhöhten Osteoporose-Risiko verbunden ist. Davon sind übrigens postmenopausale Frauen (durch den Wegfall des Zyklus-Östrogen) wesentlich mehr betroffen als Männer.

Widerlegung diverser spezifischer Behauptungen im Einzelnen:

In seinem Text spricht der Verfasser von der eigenen „medizinisch-wissenschaftlichen Abteilung“ und von „[von] nachplappernden Therapeuten befeuerten Vitamin D-Hypes“. Er behaupt, dass „die aktive Form des Vitamin D [welche meint der Autor?] bei in Deutschland lebenden Menschen sehr selten zu niedrig [sei] …, weil wir sehr lichtreiche Monate (März bis September) haben.“ Zudem findet sich der Satz „Eine genauere Analyse stellt die Messung des zellulär aktiven Vitamin D dar: 1,25-DiOH-Cholocalciferol.“ Der Textverfasser erwähnt dabei „32.755 25-OH-Cholecalciferol- und 2.319 1,25-DiOH-Cholecalciferol-Messungen“, woraus sich allein schon ergibt, das dem Text-Verfasser der Zusammenhang zwischen Calcidiol und Calcitriol nicht bekannt ist, und wahrscheinlich nur in einer Minderzahl der Analysen beide Parameter gleichzeitig bestimmt wurden.  Weiter führt der Text-Verfasser aus: „Dieser Wert wird jedoch selten propagiert, weil nie pathologische Werte herauskommen.“ Beide Behauptungen sind falsch. Dann stellt der Text-Verfasser apodiktisch die Behauptung auf: „Im Rahmen unserer Kumulativbefundrecherchen haben wir die Ergebnisse der letzten 1500 durchgeführten 1,25-DiOH-Cholecalciferol-Messungen ausgewertet. Danach hatte kein Patient einen Vitamin D-Mangel.“ Die Daten für diese Behauptungen bleibt der Text-Verfasser allerdings schuldig, wie auch die Daten zu allem anderen, wozu er Behauptungen aufstellt.

Eine der absurdesten Behauptungen lautet: „Das „Vitamin“ D in Pillenform ist kein Vitamin, sondern ein Steroidhormon [der Text-Verfasser hat ganz offensichtlich noch nicht einmal die Grundlagen der Begriffe, welche er verwendet, verstanden!]. Rheumatiker und Asthmatiker unter Dauer-Kortison-Theapie entwickeln durchschnittlich nach 20 Jahren Kortison-Einnahme eine iatrogene Osteoporose. Vitamin D schafft das manchmal in nur vier Monaten. [Wovon redet der Text-Verfasser hier? Von Cholecalciferol, Calcidiol, oder Calcitriol?]“. Zur Begriffserläuterung: als „iatrogen“ werden Krankheitsbilder bezeichnet, die durch ärztliche Maßnahmen verursacht oder verschlimmert werden, unabhängig davon, ob sie nach Stand der ärztlichen Kunst vermeidbar oder unvermeidbar waren. Im weiteren Sinn ist auch jede andere Wirkung ärztlichen Handelns, insbesondere die Heilung, iatrogen. Für die unwissenschaftliche Behauptung, dass Vitamin D Osteporose verursache (siehe oben: Gründe für die Einführung der Vitamin D-Subsitution und die Metaanalyse von Tangestani et al. 2020), wird man in der inzwischen ca. 100‘000 Publikationen umfassenden Literatur, die in PubMed publiziert ist, vergeblich einen Beweis suchen. Kortison ist immunsuppressiv, Vitamin D ist immunstimulierend. Die anderslautende, falsche Behauptung des Text-Verfassers ist offensichtlich seiner Unkenntnis des Hormon-Stoffwechsels zuzuschreiben. „Vitamin D [in Pillenform] schafft das [gemeint ist die Osteoporose] manchmal in nur vier Monaten.“ Dies ist eine eindeutig vorsätzlich falsche Behauptung.  Der Beweis dafür liegt in der oben erwähntne Rachitis-Behandlung. Rachitis ist eine durch Vitamin D-Mangel entstehende Knochenstoffwechsel-Störung, die bei tiefen Vitamin D-Werten entsteht.

Arbeitsgruppen des Robert-Koch Instituts haben in zwei international hochrangig veröffentlichten Studien (deren Ergebnisse das Robert-Koch Institut allerdings unverständlicherweise bis heute nicht in Deutsch zur Verfügung gestellt hat) festgestellt, dass die gesamte deutsche Bevölkerung einen Vitamin D-Mangel hat:

Hintzpeter B. et al. (2008) „Higher prevalence of Vitamin D deficiency is assoziated with immigrant background among children and adolescents in Germany.“ J Nutr. 2008 Aug; 138(8):1482-1490. doi: 10.1093/jn/138.8.1482 PMID 18641195 und Rabenberg M. et al. (2015) „Vitamin D status among adults in Germany – results from the German Health Interview and Examination Survey for Adults (DEDS1).“ BMC Public Health 2015 Jul11; 15:641 doi: 10.1186/s12889-015-2016-7 PMID: 26162848.

Warum Hintzpeter et al. sich im Titel ihrer Studie auf Immigranten-Kinder und Jugendliche konzentriert haben, habe ich allerdings bis heute nicht verstanden.  Wie die oben eingefügte Original-Grafik aus deren Publikation (Seite 1486) überdeutlich zeigt, leiden alle Kinder und Jugendlichen zwischen dem zweiten und siebzehnten Lebensjahr unter einem gravierenden Calcidiol (Serum 25(OH)D-Mangel, der – in nmol/L angegeben bzw. umgerechnet in ng/ml – im Mittel bei „Nicht-Migranten-Kindern gering über 50 nmol/L bzw. 20 ng/ml liegt und bei Migranten-Kindern deutlich darunter liegt. Kinder und Jugendliche bilden Knochen. Dazu brauchen sie ausreichende Calcidiol-Serum-Spiegel sowie Calcium und Magnesium. Bei allen drei Substanzen besteht in Deutschland eine Mangel-Versorgung. Diese Mängel führen zu einer Mindercalcifizierung der Knochen mit der Folge eines höheren Osteoporose-Risikos im späteren Leben. Dass Säuglinge bis zum Ende des ersten Lebensjahres gerade ausreichende Calcidiol-Spiegel aufweisen liegt daran, dass nach den geltenden Leitlinien die Säuglinge mit 400 IE Vitamin D3 versorgt werden. Nach dem Säuglingsstadium hört die Supplementierung allerdings auf, weil es keine entsprechende Leitlinie gibt! Wenn Mütter dann mit ihren Jugendlichen zum Kinderarzt gehen, weil diese immer wieder unter Knochenschmerzen leiden, werden sie wieder nach Hause geschickt mit dem Argument: „Das ist ganz normal“! Ja so ist es leider:  der Vitamin D3-/Calcium-/Magnesium-Mangel ist leider in der Tat zum „Normal“-Zustand in Deutschland geworden!

Dazu eine weitere Studie:

Weaker bones and white skin as adaptions to improve anthropological „fitness“ for northern environments.Vieth R. Osteoporos Int. 2020 Apr;31(4):617-624. doi: 10.1007/s00198-019-05167-4. Epub 2019 Nov 6. PMID: 31696275

„Whiter skin was more fit for reproduction in UV-light restricted environments, but natural selection was also driven by the phenotype of bone per se. Bone formation starts with the deposition of bone-matrix proteins. Mineralization of the matrix happens more slowly, and it stiffens bone. If vitamin D and/or calcium supplies are marginal, larger bones will not be as fully mineralized as smaller bones. For the same amount of mineral, unmineralized or partially mineralized bone is more easily deformed than fully mineralized bone. [Fettdruck und Italic vom Autor] The evidence leads to the hypothesis that to minimize the soft bone that causes pelvic deformation, a decrease in amount of bone, along with more rapid mineralization of osteoid improved reproductive fitness in Whites. Adaptation of bone biology for reproductive fitness in response to the environmental stress of limited availability of vitamin D and calcium came at the cost of greater risk of osteoporosis later in life.

Übersetzung:

[„Weißere Haut war für die Fortpflanzung in einer durch UV-Licht eingeschränkten Umgebung besser geeignet, aber die natürliche Auslese wurde auch durch den Phänotyp des Knochens an sich angetrieben. Die Knochenbildung beginnt mit der Ablagerung von Proteinen in der Knochenmatrix. Die Mineralisierung der Matrix erfolgt langsamer und führt zu einer Versteifung der Knochen. Wenn die Versorgung mit Vitamin D und/oder Kalzium gering ist, werden größere Knochen nicht so vollständig mineralisiert wie kleinere Knochen. Bei gleichem Mineralgehalt ist nicht oder nur teilweise mineralisierter Knochen leichter verformbar als voll mineralisierter Knochen. Die Beweise führen zu der Hypothese, dass eine Verringerung der Knochenmenge zusammen mit einer schnelleren Mineralisierung des Osteoids die Fortpflanzungsfähigkeit von Weißen verbessert, um die weichen Knochen zu minimieren, die eine Deformation des Beckens verursachen. Die Anpassung der Knochenbiologie für die reproduktive Fitness als Reaktion auf den Umweltstress der begrenzten Verfügbarkeit von Vitamin D und Kalzium erfolgte um den Preis eines höheren Osteoporoserisikos im späteren Leben.“]

Während in der Studie von 2008 ein Schwergewicht auf Kinder von Immigranten-Familien gelegt wird (diese haben im Durchschnitt eine dunklere Hautfarbe und sind schon allein deshalb in unseren Breitengraden schlechter dazu befähigt, Vitamin D3 (Cholecalciferol) in der Haut zu synthetisieren), kommt die zweite Studie von 2019 zu folgenden Schlüssen: >> Conclusions: Serum 25(OH)d levels below the threshold of 50 nmol/l [25 ng/ml] are still common among adults in Germany, especially during winter and spring and in higher latidudes. Potentially modifiable factors of poorer vitamin D status are higher BMI, lack of sport activity and high media use. <<

Übersetzung:

[Schlussfolgerungen: Serum-25(OH)d-Spiegel unter dem Schwellenwert von 50 nmol/l [25 ng/ml] sind bei Erwachsenen in Deutschland nach wie vor weit verbreitet, vor allem im Winter und Frühjahr und in höheren Breitengraden. Potenziell modifizierbare Faktoren für einen schlechteren Vitamin-D-Status sind ein höherer BMI, mangelnde sportliche Aktivität und hoher Medienkonsum.]

Soviel zu der Behauptung des Text -Verfassers „… kein einziger Patient hat einen Vitamin D-Mangel. Es gibt keinen vernünftigen Grund, in Deutschland lebenden Menschen synthetisches Vitamin D (…) zu verordnen.“

Dem Text des Verfassers liegt ein ganzes Konglomerat von Unkenntnis und daraus folgenden Mißinterpretationen zugrunde. Daher beschreibe ich an dieser Stelle ein paar grundlegende biochemische Tatsachen:

  1. Die Aussage „Das „Vitamin“ D in Pillenform ist kein Vitamin, sondern ein Steroidhormon“ stimmt grundsätzlich. Die (leider) im allgemeinen Sprachgebrauch wie auch in der wissenschaftlichen Literatur immer noch überwiegend als „Vitamin“ bezeichneten Stoffwechelprodukte 25-OH-D (Calcidiol) bzw. 1,25-dOH-D (Calcitriol), die im Körper aus Cholecalciferol synthetisiert werden können, sind keine „Vitamin(e)“, wie schon erläutert, sondern (Secosteroid-)Hormone. Aus Cholecalciferol synthetisiert der Körper mit Hilfe der 25-Hydroxylase das 25-OH-Vitamin D3 (Calcidiol) und daraus mit Hilfe der 1-a-Hydroxylase das 1,25-dOH Vitamin D3 (Calcitriol). Die Zahlen (25; 1,25) geben die Position(en) an, an denen die jeweiligen Hydroxylasen (Enzyme) an dem Steroidgerüst von Cholecalciferol eine Hydroxylierung durchführen. Die 24-Hydroxylase addiert an der Position 24 eine weiter Hydroxyl-Gruppe und macht aus 25-OH-D3 24,25-dOH-D3 und aus 1,25-dOH-D3 das 1,24,25-triOH-D3. Die beiden letzten sind dann physiologisch inaktive Abbauprodukte, die über die Niere ausgeschieden werden. Beide Hormone, Calcidiol und Calcitriol, werden von der 24-Hydroxylase mit fast gleicher Affinität als Substrate umgesetzt. Diesen Sachverhalt zu begreifen, ist wichtig, wie wir noch sehen werden.
  1. In der Haut kann, bei Vorliegen einer genügend hohen UVB-Einstrahlung aus 7-Dehydrocholesterin eine Vorstufe des Prohormons Cholecalciferol gebildet werden, die dann durch eine chemische Umlagerung zum Prohormon Cholecalciferol wird. Weil diese Synthese in der Haut durch Melanin behindert wird, haben dunkelhäutige Menschen verglichen mit hellhäutigen Menschen eine wesentlich schlechtere Fähigkeit, das Prohormon Cholecalciferol in der Haut zu synthetisieren (siehe auch Hintzpeter B. et al.). Der stammesgeschichtliche Hintergrund für die dunkle Hautfarbe (und vice versa der hellen) ist wahrscheinlich der Schutz vor „zu viel“ UV-Einstrahlung in den sonnenreichen Gebieten unserer Erde (zu denen Deutschland im Gegensatz zu den Behauptungen des Text-Verfassers definitiv nicht gehört!), aus der die Menschen von heute (nach immer noch geltender wissenschaftlicher Meinung) stammen. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass Folsäure, die absolut essentiell für unsere Vermehrungsfähigkeit ist, in der Haut durch UV-Strahlung zerstört wird. Andererseits ist ein Vitamin D-Mangel mit einer reduzierten Fertilität kausal verbunden. Dazu 3 Übersichtsartikel: (1) „The Role of Vitamin D in Fertility and during Pregnancy and Lactation: A Review of Clinical Data.Pilz S, Zittermann A, Obeid et al. Int J Environ Res Public Health. 2018 Oct 12; 15(10):2241. doi: 10.3390/ijerph15102241. PMID: 30322097 (2) „Vitamin D and female fertility. Lerchbaum E, Rabe T. Curr Opin Obstet Gynecol. 2014 Jun; 26(3):145-50. doi: 10.1097/GCO.0000000000000065. PMID: 24717915 und (3) Vitamin D and fertility: a systematic review.“ Lerchbaum E, Obermayer-Pietsch B. Eur J Endocrinol. 2012 May;166(5):765-78. doi: 10.1530/EJE-11-0984. Epub 2012 Jan 24. PMID: 22275473.

In diesem Zusamenhang zitiere ich aus der Zusammenfassung von Studie (3): >> The vitamin D receptor (VDR) and vitamin D metabolizing enzymes are found in reproductive tissues of women and men. VDR knockout mice have significant gonadal insufficiency, decreased sperm count and motility, and histological abnormalities of testis, ovary and uterus. Moreover, we present evidence that vitamin D is involved in female reproduction including IVF outcome (clinical pregnancy rates) and polycystic ovary syndrome (PCOS). …. In men, vitamin D is positively associated with semen quality and androgen status. Moreover, vitamin D treatment might increase testosterone levels. Testiculopathic men show low CYP21R expression [25-Hydroxylase, das Enzym das im Körper aus Cholecalciferol 25-OH-D synthetisiert], low 25(OH)D levels, and osteoporosis despite normal testosterone levels. <<

Übersetzung:

[Der Vitamin D-Rezeptor (VDR) und die Enzyme des Vitamin D-Stoffwechsels finden sich in den Fortpflanzungsgeweben von Frauen und Männern. VDR-Knockout-Mäuse weisen eine erhebliche Keimdrüseninsuffizienz, eine verringerte Spermienzahl und -beweglichkeit sowie histologische Anomalien an Hoden, Eierstöcken und Gebärmutter auf. Darüber hinaus präsentieren wir Beweise dafür, dass Vitamin D an der weiblichen Fortpflanzung beteiligt ist, einschließlich der IVF-Ergebnisse (klinische Schwangerschaftsraten) und des polyzystischen Ovarsyndroms (PCOS). …. Bei Männern steht Vitamin D in einem positiven Zusammenhang mit der Samenqualität und dem Androgenstatus. Außerdem kann eine Vitamin D-Behandlung den Testosteronspiegel erhöhen. Testikulopathische Männer zeigen eine niedrige CYP21R-Expression [25-Hydroxylase, das Enzym, das im Körper aus Cholecalciferol 25-OH-D synthetisiert], niedrige 25(OH)D-Werte und Osteoporose trotz normaler Testosteronwerte.]

Anmerkung: Professor Amin Zittermann, einer der Mitautoren der Studie (1), ist der wohl angesehenste Vitamin D-Fachmann Deutschlands. Seine Kollegen Professor Grant, Garland, Peterlik und Reichrath sind ebenfalls international anerkannte Kapazitäten. Sie alle haben schon vor Jahren in einer Veröffentlichung, festgestellt, dass eine Supplementierung von 3000-4000 IE Vitamin D pro Tag (!) bei jährlichen Gesamtkosten von 10 Milliarden € zu reduzierten (direkten und indirekten) Krankheitskosten von 187 Milliarden € pro Jahr in Europa führen könnte: „Estimated benefit of increased vitamin D status in reducing the economic burden of disease in western Europe.Grant WB, Cross HS, Garland CF, Gorham ED, Moan J, Peterlik M, Porojnicu AC, Reichrath J, Zittermann A. Prog Biophys Mol Biol. 2009 Feb-Apr; 99(2-3):104-13. doi: 10.1016/j.pbiomolbio.2009.02.003. Epub 2009 Mar 4. PMID: 19268496. Wie hoch diese Krankheitskosten-Einsparung heute (12 Jahre später) wäre, läßt sich nur extrapolieren; sie läge aber sicherlich deutlich über 250 Milliarden €!

  1. Wie schon festgestellt, sind Vitamin D (Cholecalciferol) und die körpereigenen Syntheseprodukte 25-OH-D3 (Cacidiol) und 1,25-OH-D3, keine Vitamine sondern (Pro-) Hormone. Letztere (Calcidiol und Calcitriol) sind Hormone, die an einen Zellkern-Rezeptor, den VDR (Vitamin D-Rezeptor) binden. Echte Vitamine (Vitamin C, B-Vitamine B1, B2, B3, B5, B6, B12 etc und Vitamin E) hingegen haben keine Rezeptoren. Sie sind essentiell für Enzymfunktionen und wirken als Anti-Oxidantien.
  1. Die Behauptung „Die Sonne […] ein ganz anderes Vitamin D macht, als die Pharmaindustrie“, muss als unwissenschaftlich bezeichnet werden. Das Prohormon Cholecalciferol ist Cholecalciferol (siehe Strukturformel oben), unabhängig davon, wo es hergestellt wurde. Chemische Strukturen sind immer eindeutig. Ebenso unwissenschaftlich ist die Behauptung „Ausnahmslos alle bekannten positiven Wirkungen gehen von diesem körpereigenen Vitamin D aus. Das Vitamin D in Pillenform hat nichts mit dem natürlichen Vitamin D zu tun.“ Cholecalciferol ist und bleibt Cholecalciferol wie auch L-Ascorbinsäure (Vitamin C) L-Ascorbinsäure ist und bleibt, unabhängig davon ob sie z.B. aus einer Gojibeere kommt oder im 80‘000 Liter Fermenter und von Bakterien synthetisiert wird. Der Text-Verfasser hat entweder kein Verständnis von Chemie oder schlimmer noch, verbreitet allenfalls gezielte Desinformation an die „Durchschnittsbürger“, welche – wie gesagt – mangels substantieller, differenzierter Information, diese Desinformation gar nicht als solche wahrnehmen können.
  1. Die Aussage „Im Gegenteil: Das synthetische Vitamin D blockiert die Bildung des körpereigenen Vitamin D“ ist unwissenschaftlich und schlichtweg falsch. Das Prohormon Cholecalciferol in der Haut wird mit Hilfe von UVB-Strahlung aus 7-Dehydrocholesterin gebildet. Diese UVB-abhängige Synthese ist durch oral zugeführtes Cholecalciferol nicht zu blockieren. Sie wird auch nicht „herunter geregelt“, weil es hier keinen Feedback-Mechanismus gibt, und sie schlicht und ergreifend direkt proportional von der Menge und der Intensität der UVB-Einstrahlung in die Haut abhängig ist. Es gibt hier keinen „Feedback Regulationsmechanismus wie z.B. bei der Produktion von Testosteron im Hoden oder der Estrogen/Progesteron Produktion in den Ovarien unter den „Kontrol-Hormonen“ (FSH/LH) in der Hypophyse.
  1. Die vom Text-Verfasser (und auch vom Magazin DIE ZEIT) immer wieder bemühten Begriffe „Sonnenhormon“ oder „Sonnenvitamin“ sind eine zwar wohltönende, aber dennoch unwissenschaftliche Wortschöpfung. Die Sonne produziert, wie schon gesagt, weder Hormone noch Vitamine. Letztere sind immer Stoffwechselprodukte unseres körpereigenen Stoffwechsels. Das Prohormon Cholecalciferol kann allenfalls mit Hilfe des ultravioletten Sonnenlichts (UVB) als Energielieferant in der Haut durch den Körper synthetisiert werden. Dieser Dualismus – Eigenproduktion in der Haut und parallele Aufnahme durch Nahrungsmittel (wenn die Vitamine denn tatsächlich in ausreichender Menge in der Ernährung zur Verfügung stehen) stellt – wegen schlechter Informationsvermittlung – leider bis heute für viele Menschen ein erhebliches Verständnis-Problem dar. Wird das Prohormon Cholecalciferol mit der Nahrung aufgenommen, kann es – bei weiter Auslegung – als „Vitamin“ bezeichnet werden. Weil es aber erstens von uns selber produziert werden kann, ist es per definitionem kein Vitamin, und weil Calcidiol und Calcitriol zweitens über einen rezeptor-vermittelten Prozess im Zellkern ihre Wirkungen entfalten, sind Calcidiol und Calcitriol ebenfalls keine „Vitamine“, sondern Hormone bzw. sog. „intrinsic factors“.
  1. Calcidiol und Calcitriol sind also (Steroid-)Hormone, so wie Cortisol und Progesteron auch. Während Calcidiol und Calcitriol Immun-Stimulatoren sind, wirken Cortison und Progesteron als Immun-Suppressoren. Die Aussage „Das synthetische Vitamin D ist ein Steroidhormon, also ein Immunsuppressivum“ ist daher schlichtweg falsch. Ohne die Immun-Suppressor-Wirkung von Progesteron wäre übrigens eine Schwangerschaft nicht möglich und ohne entsprechend hohe Progesteron-Spiegel (vor allem im 3. Trimester) könnte die Schwangerschaft auch nicht erfolgreich beendet werden. Deshalb sind Frauen während der Schwangerschaft gefährdet, Autoimmun-Erkrankungen zu entwickeln, wie zum Beispiel die Hashimoto Thyreoiditis, Multiple Sklerose, aber auch Rheumatoide Arthritis und andere mehr. Was sie aber davor schützen kann, sind ausreichend hohe Calcidiol-Serum-Spiegel (siehe auch oben zur Bedeutung von Calcidiol für die Schwangerschaft, respektive Zeugungsfähigkeit für Frauen und Männern)!
  1. Das Calcidiol-/Calcitriol-VDR System existiert seit ca. 400 Millionen Jahren mit unterschiedlichen Aufgaben in den unterschiedlichen Organismen. Ich werde darauf hier nicht weiter eingehen. Die Auffassung, dass Calcidiol ein „inaktives“ Prohormon und Calcitriol das „aktive“ Hormon sei (wie auch vom Text-Verfasser vertreten), ist seit mehr als einem Jahrzehnt Ich verweise dazu auf 2 Arbeiten von Tuohimaa: Tuohimaa P. „Vitamin D, aging, and cancer.“ Nutr Rev 2008 Oct; 66(10 Suppl 2):S147-52. doi: 10.1111/j.1753-4887.2008.00095.x. und Tuohimaa P. „Vitamin D and aging.“ J Steroid Biochem Mol Biol. 2009 Mar;114(1-2):78-84. doi: 10.1016/j.jsbmb.2008.12.020. PMID: 19444937. Ich schließe hier noch eine erklärende Graphik mit ein:

Die Lesbarkeit der Graphik aus der Arbeit von Tuohimaa ist leider nur mittelmässig. Die Darstellung macht aber klar, dass zum Verständnis des Hormon D-Systems  schon etwas mehr gehört, als eine auf die (uneinheitliche) Verwendung der Begriffe Calcidiol und Calcitriol beschränkte Argumentation. Calcidiol ist wie gesagt kein „inaktives“ Prohormon, sondern ein aktives Hormon, welches im Serum zu mindestens zu 90% an das sogenannte VDBP (Vitamin-D bindendes Protein) gebunden zirkuliert. Dieses Protein bindet mit hoher Affinität Calcidiol und mit wesentlich niedrigerer Calcitriol (Speeckaert MM et al. (2014) „Vitamin D binding protein: a multifunctional protein of clinical importance.“ Adv Clin Chem 2014; 63:1-57. doi:10.1016/b978-0-12-800094-6.00001-7).  Ich vertiefe das Thema VDBP hier bewusst nicht weiter und weise nur auf folgende Aussage aus dem oben zitierten Artikel hin: „Besides the transport of vitamin D metabolites, DBP is a plasma glycoprotein with many important functions, including sequestration of actin, modulation of immune and inflammatory responses, binding of fatty acids, and control of bone development.”

Übersetzung:

[„Neben dem Transport von Vitamin D-Metaboliten ist DBP ein Plasmaglykoprotein mit vielen wichtigen Funktionen, darunter die Sequestrierung von Aktin, die Modulation von Immun- und Entzündungsreaktionen, die Bindung von Fettsäuren und die Steuerung der Knochenentwicklung.]

  1. Die 1-a-Hydroxlase wird in ihrer Expression nicht nur durch a-Klotho und FGF23 (siehe obige Abbildung aus der Publikation von Tuochimaa) sondern zusätzlich von Parathormon beeinflusst. Tangpricha V et al. (2002) „Vitamin D insufficiency among free-living heathy young adults.“ Am J Med 2002 Jun 1; 112(8):659-62. doi: 10.1016/s0002-9343(02)01091-4. In dieser Arbeit zeigten die Autoren schon 2002 eine inverse Korrelation zwischen 25-OH-D (Calcidiol) und Parathormon. Parathormon, das durch einen Calcium-/Magnesium-Mangel im Blut hochgeregelt wird, führt zu einer erhöhten Expression von 1-a-Hydroxylase, was wiederum zu einer erhöhten Produktion von 1,25-dOH-D (Calcitriol) führt, weil der Körper versucht, die mangelhafte externe Zufuhr von Calcium und Magnesium durch einen Knochen-Abbau (d.h. durch Freisetzung von Calcium und Magnesium aus dem Knochen geregelt durch höhere Calcitriol-Spiegel) auszugleichen und so den Calcium-/Magnesium-Spiegel im Blut wieder zu heben. Ich verweise hier auch auf mein Buch „Sie leiden an einer „stillen“ Entzündung?!“ (ISBN 978-3-00-048946-4, inzwischen in 2. Auflage). Auch zu diesem Themenkomplex gibt es inzwischen ein großes Konvolut von wissenschaftlichen Informationen. Dazu später noch mehr. Die Aufrechterhaltung eines physiologisch optimalen Calcitriol/Calcidiol-Verhältnisses ist für die Funktion des gesamten Systems wichtig und abhängig von einer ausreichenden Versorgung des Organismus mit Calcium, Magnesium und Bor, welche in Deutschland nicht gewährleistet ist (siehe z.B. Ernährungsbericht 2004, Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Seiten 65/66 und folgende).

Widerlegung der Kernbehauptungen des Text-Verfassers im Detail

  1. „Behauptung: Synthetisches Vitamin D hat im Organismus die gleiche Wirkung wie das Sonnenhormon.

Die Wahrheit ist: Synthetisch hergestelltes Vitamin D weist zwar gewisse strukturelle Ähnlichkeiten mit dem natürlichen, mittels UVB-Strahlung aus körpereigenem Cholesterin in der Haut gebildeten, Vitamin D auf, es hat aber auch gänzlich andere – zum Teil gegensätzliche – Wirkungen.“

Cholesterin und auch das Prohormon Cholecalciferol (Vitamin D3) sind chemisch eindeutig und zweifelsfrei definierte Verbindungen (siehe Strukturformel oben). Es bestehen zwischen dem körpereigenen und dem in seriösen Nahrungsergänzungsmitteln eingesetzten Prohormon Cholecalciferol keine Unterschiede hinsichtlich Struktur und  Funktion bzw. Wirkung.  Oral zugeführtes Cholecalciferol unterscheidet sich allerdings in zumindest einem Aspekt schon von körpereigenem: es hat, abhängig von der Zuführung (z.B. Fisch, Kapseln oder ölige Formulierungen), jeweils eine andere Bioverfügbarkeit. Aber darum geht es ja bei den Behauptungen des Text-Verfassers gar nicht. An dieser Stelle möchte ich im Übrigen noch festhalten, dass es sehr hilfreich wäre, wenn der Text-Verfasser die obige und alle anderen Behauptungen, die er aufstellt, mit wissenschaftlich akzeptablen Daten untermauern würde. Wie die chemisch gleiche Verbindung, abhängig von ihrem Ursprung, biochemisch/physiologisch gegensätzliche Wirkungen im Organismus haben soll, würde mich nämlich brennend interessieren.

  1. „Behauptung: Synthetisch hergestelltes Vitamin D hat viele positive Wirkungen auf den menschlichen Organismus, z.B. stärkt es das Immunsystem.

Die Wahrheit ist: Das synthetische Vitamin D ist ein Steroidhormon, also ein Immunsuppressivum. Es schwächt das Immunsystem und blockiert alle positiven Wirkungen, die ausschließlich vom natürlichen Vitamin D ausgehen.“

Vitamin D3 (Cholecalciferol), ob durch UVB-Strahlung in der Haut produziert oder (mittels Cholecalciferol-reichen Nahrungsmitteln oder mittels Supplementierung) oral zugeführt, ist kein Steroidhormon, sondern ein Steroid-Prohormon für 25-OH-D3 (Cacidiol) und 1,25-dOH-D3 (Calcitriol), welche beide Steroidhormone sind und beide mit einem minimalen Unterschied in der Bindungskonstante an den VDR (Vitamin D-Rezeptor) binden können (vergleiche dazu P. Tuohimaa, und in dessen Review referenzierte wissenschaftliche Literatur.) Calcidiol und Calcitriol stärken das Immunsystem. Die Literatur-Evidenz dafür ist erdrückend, und es gibt keinen ernstzunehmenden Wissenschaftler der dies bestreitet. Ich beschränke mich hier auf die Arbeit von Dor AA et all. Pre-infection 25-hydroxyvitamin D3 levels and association with severity of COVID-19 illness“ PLOS ONE. 2022 Feb 3; 17(2):e0263069. doi: 10.1371/journal.pone.0263069. eCollection 2022 und füge hier die Abbildung aus dieser Arbeit hinzu:

Es ist hiermit eindeutig nachgewiesen, dass ein Calcidiol-Mangel (Serum Spiegel < 20 ng/ml), die „Normalsituation“ in Deutschland ohne Substitution, zu schweren, häufig tödlichen COVID-19 Erkrankungen und Verläufen führt. Ich verweise in diesem Zusammenhang noch einmal auf die beiden oben zitierten Arbeiten der Mitarbeiter des Robert-Koch-Instituts (Hintzpeter B. et al. (2008) und Rabenberg M. et al. (2015)) Auch hier bitte ich die eingeschränkte Lesbarkeit der Abbildung nachzusehen. Das Konvolut zu Vitamin D und COVID-19 umfasst zurzeit 384 Arbeiten, zu Vitamin D-Mangel und Covid-19 sind es 155 Arbeiten. Ich zitiere daraus deren vier:

1)Exploring links between vitamin D deficiency and COVID-19. Mohan M, Cherian JJ, Sharma A. PLoS Pathog. 2020 Sep 18;16(9):e1008874. doi: 10.1371/journal.ppat.1008874. eCollection 2020 Sep. PMID: 3294651

2)Evidence Regarding Vitamin D and Risk of COVID-19 and Its Severity. Mercola J, Grant WB, Wagner CL. Nutrients. 2020 Oct 31;12(11):3361. doi: 10.3390/nu12113361. PMID: 33142828

Zitat aus dem Abstract: „Fourteen observational studies offer evidence that serum 25-hydroxyvitamin D concentrations are inversely correlated with the incidence or severity of COVID-19. The evidence to date generally satisfies Hill’s criteria for causality in a biological system, namely, strength of association, consistency, temporality, biological gradient, plausibility (e.g., mechanisms), and coherence, although experimental verification is lacking. Thus, the evidence seems strong enough that people and physicians can use or recommend vitamin D supplements to prevent or treat COVID-19 in light of their safety and wide therapeutic window.“

3)Role of vitamin D in preventing of COVID-19 infection, progression and severity. Ali N. J Infect Public Health. 2020 Oct;13(10):1373-1380. doi: 10.1016/j.jiph.2020.06.021. Epub 2020 Jun 20. PMID: 32605780

Zitat aus dem Abstract: „Several studies demonstrated the role of vitamin D in reducing the risk of acute viral respiratory tract infections and pneumonia. These include direct inhibition with viral replication or with anti-inflammatory or immunomodulatory ways. In the meta-analysis, vitamin D supplementation has been shown as safe and effective against acute respiratory tract infections. Thus, people who are at higher risk of vitamin D deficiency during this global pandemic should consider taking vitamin D supplements to maintain the circulating 25(OH)D in the optimal levels (75-125nmol/L). In conclusion, there is not enough evidence on the association between vitamin D levels and COVID-19 severity and mortality.“

Ich darf in diesem Zusammenhang noch einmal an die Publikation von Rabenberg et all. (2015) erinnern (siehe oben) „Serum 25(OH)D levels below the threshold of 50 nmol/l [25 ng/ml] are still common among adults in Germany, especially during winter and spring and in higher latidudes.”

4) Immunologic Effects of Vitamin D on Human Health and Disease. Charoenngam N, Holick MF. Nutrients. 2020 Jul 15;12(7):2097. doi: 10.3390/nu12072097. PMID: 32679784

Zitat aus dem Abstract: „Association between low levels of serum 25-hydroxyvitamin D and increased risk of developing several immune-related diseases and disorders, including psoriasis, type 1 diabetes, multiple sclerosis, rheumatoid arthritis, tuberculosis, sepsis, respiratory infection, and COVID-19, has been observed. …. Although it is still debatable what level of serum 25-hydroxyvitamin D is optimal, it is advisable to increase vitamin D intake and have sensible sunlight exposure to maintain serum 25-hydroxyvitamin D at least 30 ng/mL (75 nmol/L), and preferably at 40-60 ng/mL (100-150 nmol/L) to achieve the optimal overall health benefits of vitamin D.“

Übersetzung:

Es wurde ein Zusammenhang zwischen niedrigen 25-Hydroxyvitamin D-Spiegeln im Serum und einem erhöhten Risiko für verschiedene immunbedingte Krankheiten und Störungen, einschließlich Psoriasis, Typ-1-Diabetes, Multiple Sklerose, rheumatoide Arthritis, Tuberkulose, Sepsis, Atemwegsinfektionen und COVID-19, festgestellt. …. Obwohl noch immer umstritten ist, welcher Serumspiegel von 25-Hydroxyvitamin D optimal ist, ist es ratsam, die Vitamin D-Zufuhr zu erhöhen und sich vernünftig dem Sonnenlicht auszusetzen, um den Serumspiegel von 25-Hydroxyvitamin D bei mindestens 30 ng/mL (75 nmol/L) und vorzugsweise bei 40-60 ng/mL (100-150 nmol/L) zu halten, um die optimalen gesundheitlichen Vorteile von Vitamin D zu erreichen.”]

Mehr ist zu der unwissenschaftlichen Behauptung, dass die Substitution von Cholecalciferol zur Anhebung des 25-OH-D Serum-Spiegels immunsuppressiv sei, an dieser Stelle nicht zu sagen!

  1. „Behauptung: Den Vitamin D-Spiegel im Organismus kann man im Blut messen.

Die Wahrheit ist: Laborreagenzien sind so gebaut, dass sie gleichermaßen auf das synthetische und das natürliche Cholecalciferol reagieren. Die Messung des sogenannten Speicherhormons 25-OH-Cholecalciferol beruht jedoch auf einem Denkfehler. Das Blut ist nämlich gar nicht der Speichplatz für 25-OH. Speicherplatz ist das Fettgewebe und die Leber. Man müsste also eine Stanzbiopsie durchführen. Der Wert im Blut ist nur eine Momentaufnahme und nur hoch, wenn synthetisch substituiert wurde. Wer nicht substituiert, hat auch im Sommer selten Werte über 35 ng/ml. Die Arzeimittelfirmen propagieren das jedoch, weil fast immer niedrige Werte herauskommen, was die Kassen klingeln lässt.“

  1. Als erste Entgegnung zu diesen Behauptungen möchte ich auf folgende Fakten hinweisen: Es wird nicht Cholecalciferol gemessen (von niemandem!), sondern 25-OH-D3 (Calcidiol), freies 25-OH-D3 (freies Calcidiol) und 1,25-dOH-D3 (Calcitriol).
  1. Die „Laborreagenzien“ reagieren auf diese 3 chemisch eindeutigen Substanzen immer gleich. Für Calcidiol und Calcitriol gibt es verschiedene Testverfahren. Eines beruht auf LC-MS-MS. Etwas Spezifischeres gibt es nicht. Die Verfahren liefern vergleichbare Ergebnisse, wie sich einfach nachweisen lässt. Für die Bestimmung von freiem (d.h. nicht-proteingebundenen) Calcidiol gibt es einen (patentierten) hochspezifischen antikörperbasierten Test, der bei Calcidiol die Domäne misst, die bei Gesamt-Calcidiol durch die Protein-Bindung maskiert ist. Auch hier noch einmal in Reflektion auf den Artikel in DIE ZEIT. Alle Labore in Deutschland sind DAKKS (Deutsche Akkreditierungsstelle) zertifiziert, dies gilt auch für die Messverfahren, die sie anbieten. DAKKS und die Labore werden immer wieder in Ringversuchen auf die Reproduzierbarkeit und Aussagefähigkeit der von den Laboren gemessenen Parametern untersucht. Allein deshalt ist es unsachlich, Zweifel an der Seriösität und Aussagekraft von Calcidiol-Messungen zu streuen, wie dies im Artikel der ZEIT geschieht.
  1. Calcidiol ist kein „Speicherhormon“, sondern das erste Vitamin D-Hormon, welches bei der enzymatischen Umwandlung von Cholecalciferol durch Hydroxylierung an der Position 25 durch die 25-Hydroxylase entsteht. Diese Umwandlung kann nicht nur in der Leber erfolgen (klassische Sichtweise), sondern in mindestens 37 verschiedenen Zelltypen und somit in allen Körpergeweben (siehe auch Tuochimaa oben).
  1. Die Halbwertszeit von Calcidiol im Serum beträgt ca. 21 Tage (die Literatur schwankt zwischen 15 und 25 Tagen). Die Halbwertszeit von Calcitriol im Serum beträgt 15 – 30 Minuten. Dieser Unterschied ist physiologisch den unterschiedlichen Aufgaben beider Hormone zuzuweisen. Dazu zwei Studien:

Osteoporos Int. 2015 Mar;26(3):1137-46. doi: 10.1007/s00198-014-2905-0. Epub 2014 Oct 3. „Predictors of 25(OH)D half-life and plasma 25(OH)D concentration in The Gambia and the UK.“ K S Jones S AssarD VanderschuerenR BouillonA PrenticeI Schoenmakers

Results: Normally distributed data are presented as mean (SD) and non-normal data as geometric mean (95 % CI). Gambian compared to UK men had higher plasma concentrations of 25(OH)D (69 (13) vs. 29 (11) nmol/L; P<0.0001); 1,25(OH)2D (181 (165, 197) vs. 120 (109, 132)pmol/L; P<0.01); and parathyroid hormone (PTH) (50 (42, 60) vs. 33 (27, 39); P<0.0001). There was no difference in 25(OH)D3 half-life (14.7 (3.5)days vs. 15.6 (2.5)days) between countries (P=0.2). In multivariate analyses, 25(OH)D, 1,25(OH)2D, vitamin D binding protein and albumin-adjusted calcium (Caalb) explained 79%of variance in 25(OH)D3 half-life in Gambians, but no significant predictors were found in UK participants. For the countries combined, Caalb, PTH and plasma phosphate explained 39 % of half-life variability. 1,25(OH)2D, weight, PTH and country explained 81 % of variability in 25(OH)D concentration; however, country alone explained 74 %.

Conclusion: Factors known to affect 25(OH)D metabolism predict 25(OH)D3 half-life, but these differed between countries. Country predicted 25(OH)D, probably as a proxy measure for UVB exposure and vitamin D supply. This study supports the use of 25(OH)D half-life to investigate vitamin D metabolism.

Übersetzung:

[Ergebnisse: Normalverteilte Daten werden als Mittelwert (SD) und nicht-normalverteilte Daten als geometrisches Mittel (95 % CI) dargestellt. Gambische Männer hatten im Vergleich zu britischen Männern höhere Plasmakonzentrationen von 25(OH)D (69 (13) vs. 29 (11) nmol/L; P<0,0001); 1,25(OH)2D (181 (165, 197) vs. 120 (109, 132) pmol/L; P<0,01); und Parathormon (PTH) (50 (42, 60) vs. 33 (27, 39); P<0,0001). Bei der Halbwertszeit von 25(OH)D3 (14,7 (3,5) Tage vs. 15,6 (2,5) Tage) gab es keinen Unterschied zwischen den Ländern (P=0,2). In multivariaten Analysen erklärten 25(OH)D, 1,25(OH)2D, Vitamin D-Bindungsprotein und Albumin-bereinigtes Kalzium (Caalb) 79 % der Varianz der 25(OH)D3-Halbwertszeit bei den Gambiern, während bei den britischen Teilnehmern keine signifikanten Prädiktoren gefunden wurden. Für alle Länder zusammen erklärten Caalb, PTH und Plasmaphosphat 39 % der Halbwertszeitvariabilität. 1,25(OH)2D, Gewicht, PTH und Land erklärten 81 % der Variabilität der 25(OH)D-Konzentration; das Land allein erklärte jedoch 74 %.

Schlussfolgerung: Faktoren, von denen bekannt ist, dass sie sich auf den 25(OH)D-Stoffwechsel auswirken, sagen die 25(OH)D3-Halbwertszeit voraus, aber diese unterscheiden sich zwischen den Ländern. Das Land sagte 25(OH)D voraus, wahrscheinlich als Ersatzmaß für die UVB-Exposition und die Vitamin D-Versorgung. Diese Studie unterstützt die Verwendung der 25(OH)D-Halbwertszeit zur Untersuchung des Vitamin D-Stoffwechsels.]

Aber auch: Photochem Photobiol Sci. 2017 Jun 14;16(6):985-995. doi: 10.1039/c6pp00258g. „The half-life of 25(OH)D after UVB exposure depends on gender and vitamin D receptor polymorphism but mainly on the start level.“ Pameli DattaPeter A PhilipsenPeter OlsenMorten K BoghPeter JohansenAnne V SchmedesNiels MorlingHans C Wulf

Beide Publikationen kommen zu einer Halbwertszeit für Serum-Calcidiol von ca. 15 Tagen, und zwar unabhängig von der Hautfarbe. Die zweite, die insbesondere noch die UVB-abhängige Cholecalciferol-Produktion berücksichtigt, verweist aber auf einige Einflußparameter, wie z.B die Ausgangshöhe von Calcidiol und den Mutationszustand des Vitamin D-Rezeptors. Die Halbwertszeit (HWZ) beschreibt den Zeitraum, innerhalb welchem eine Verbindung zu 50% wieder aus dem Organismus ausgeschieden oder verstoffwechselt wird. Mit anderen Worten: nach Ablauf der HWZ sind noch 50%, nach doppelter HWZ noch 25%, nach dreifacher HWZ noch 12,5%, nach vierfacher HWZ noch 6,25% und nach fünffacher HWZ noch 3.125% der Substanz vorhanden. Der Text-Verfasser behauptet nun: „Weil die Halbwertzeit von Vitamin D in den zellulären Speichern fast ein dreiviertel Jahr beträgt, sind die Speicher auch im April noch ausreichend gefüllt, selbst wenn die letzten Sonnenstrahlen im August waren“.  Nun zählen wir aber zwischen September und April bzw. – konservativ betrachtet – zwischen Oktober und März  180 Tage, also  12 Halbwertszeiten. Damit ist klar, dass die obige Aussage des Text-Verfassers zu den zellulären Speichern von Vitamin D nichts mit der Realität zu tun hat.

  1. Der „Speicherplatz“ für Calcidiol ist weder die Leber, noch das Fettgewebe. Da es lipophil (fettbindend) ist, „versinkt“ es allerdings im Fettgewebe, wovon vor allem Übergewichtige und – in noch höherem Maße – Adipöse betroffen sind, was wiederum a) in diesen Patienten- Gruppen zu signifikant tieferen Serum-Calcidiol-Spiegeln, b) zu einem deutlich höheren Substitutionsbedarf (um den mit schlanken Personen vergleichbaren Serum-Spiegel zu erzielen) und c) zu einem messbar schlechter funktionierenden Hormon D-System, verbunden mit einem wesentlich höheren Risiko an chronischen Calcidiol-Mangel assozierten Krankheiten zu erkranken, führt.

Die Leber ist „klassisch“ das Organ, in dem Cholecalciferol in Calcidiol umgewandelt wird. Es ist kein Speicherorgan, aber Calcidiol hat wichtige Funktionen im Glykogen-Stoffwechsel wie übrigens auch in der Muskulatur. Ich werde darauf aber nicht weiter eingehen. Auch das Fettgewebe ist kein Speicherorgan für Calcidiol. Allerdings hat Calcidiol im Fettgewebe wichtige antientzündliche Funktionen. Dazu zwei Abbildungen aus der Publikation von Mutt und Kollegen:

Front Physiol. 2014 Jun 24;5:228. doi: 10.3389/fphys.2014.00228. eCollection 2014.

„Vitamin D and adipose tissue-more than storage.“ Shivaprakash J Mutt Elina Hyppönen Juha Saarnio Marjo-Riitta Järvelin Karl-Heinz Herzig

Calcidiol und Calcitriol erfüllen im Fettgewebe antientzündliche Funktionen, und sind bei Übergewichigen mehr noch bei Obesen reduziert, was zumindest zum Teil zur Pathophysiologie des Übergewichts beiträgt.

Weitere Behautungen des Text-Verfassers und ihre Widerlegung

Die Behauptung „Der Wert im Blut ist immer nur eine Momentaufnahme“ ist falsch. Eine „lege artis“ durchgeführte Bestimmung der hormonell aktiven Metabolite erfolgt, wenn der Patient in den 24 Stunden vor der Bestimmung kein Cholecalciferol substituiert hat. Die dann im Serum bestimmten Werte von Calcidiol und (!) Calcitriol sind Gleichgewichtswerte und geben keine „Momentaufnahme“ wieder.

Wer nicht substituiert, hat auch im Sommer selten Werte über 35 ng/ml.“ Es ist anzunehmen, dass der Text-Verfasser hier von Calcidiol redet. Calcitriol wird normalerweise in pg/ml angegeben. Diese Aussage ist richtig, weil der überwiegende Teil der deutschen Bevölkerung (wegen fehlender Substitution) unter einem Calcidiol-Mangel leidet. Die Einlassung, dass „Vitamin D-Mangelzustände in Deutschland nicht vorkommen“ ist falsch (siehe oben). Die Behauptung „weil wir sehr lichtreiche Monate haben März (!!!) bis September“ ist ebenso falsch. Reinhold Vieth stellt in seiner Publikation von 2008 fest, dass die UVB-generierte Cholecalciferol-Produktion in der Haut nur funktioniert, wenn die Sonne hoch genug am Himmel steht (diese Erkenntnis ist übrigens schon 120 Jahre alt, siehe oben, Nobelpreis für Niels Finson), um eine ausreichende UVB-Einstrahlung (Energiedichte) in der Haut zu erreichen. Dies ist nur dann der Fall, wenn unser Schatten (im Sonnenlicht) kürzer ist, als unsere Körperlänge, was nur im August/September in Deutschland der Fall ist (s. Kimball S et all. „Vitamin D: a growing perspective.“ Crit Rev Clin Lab Sci. 2008; 45(4):339-414. doi: 10.1080/10408360802165295). Scharla publizierte schon 1998 mit 25-OH-D-Daten einer süddeutschen Stadt, dass nur im August und September der mittlere Calcidiol-Spiegel knapp 30 ng/ml erreichte (Scharla SH (1998) „Prevalence of subclinical vitamin D deficiency in different European countries.“ Osteoporos Int. 1998;8 Suppl 2:S7-12. doi: 10.1007/pl00022726). Diese Befunde konnte ich 2007 präzise mit den Daten von Patienten aus Berlin reproduzieren.

Hier sollte ich noch darauf hinweisen, dass sowohl von Scharla, als auch von mir nur hellhäutige Menschen gemessen wurden. Die Serum Calcidiol-Spiegel nehmen in beiden Studien zwischen Oktober und Januar stark ab. Im April liegen sie dann wieder immer noch unter 20 ng/ml (50 nmol/L). Nur im August erreichen sie knapp 30 ng/ml (75 nmol/L). Dies ist inzwischen der allgemein akzeptierte unterste Spiegel um „Gesundheit“ zu erreichen oder zu erhalten!

Zu dem gleichen Ergebnis wie Scharla 1998, und ich 2007, kommen auch Klingberg et al. (2015) „Seasonal variations in serum 25-hydroxy vitamin D levels in a Swedish cohort. Klingberg E, Oleröd G, Konar J, Petzold M, Hammarsten O. Endocrine. 2015 Aug;49(3):800-8. doi: 10.1007/s12020-015-0548-3. Epub 2015 Feb 14. PMID: 25681052.

Ich finde es immer äußerst beruhigend, wenn wissenschaftliche Ergebnisse sich immer wieder reproduzieren lassen. Die Verschiebung des Peak-Maximums zwischen Schweden und Deutschland ist einfach durch die unterschiedliche geographische Lage begründet. Schweden ist nördlicher als wir hier in Deutschland.

Die Behauptung „Eine genauere Analyse stellt die Messung des zellulär aktiven Vitamin D dar: 1,25-DiOH-Cholecalciferol“ ist falsch. Beide Hormone, Calcidiol und Calcitriol, sind intrazellulär aktiv (Tuohimaa, siehe oben). Ohne die zelluläre Aufnahme von Calcidiol über die Zellmembran und die dann erfolgende mitochondriale Umwandlung von Calcidiol in Calcitriol kann das ganze System überhaupt nicht funktionieren.

„Dieser Wert wird jedoch selten propagiert, weil nie pathologische Werte herauskommen.“ Diese Behauptung ist falsch. Zu der durch Calcitriol vermittelten Hypercalcemia gibt es alleine gegenwärtig 323 Review-Artikel.  Ich verweise insofern erneut auf den Review von Tuohimaa. Es geht in einem so komplexen System, wie dem Hormon D-System um Gleichgewichte. Soweit geht es auch um ein Gleichgewicht zwischen Calcidiol und Calcitriol (Tuohimaa sowie Löffler „Sie leiden an einer stillen Entzündung“).  Ich verweise hier zudem darauf, dass eine zu hohe Sonneneinstrahlung (insbesondere bei hellhäutigen Menschen) schnell zum „Sonnenbrand“ führt, mit einem dadurch bedingten höheren Risiko für die spätere Entwicklung des sogenannten „Schwarzen Hautkrebs“ (Melanom). Dies wiederum führt(e) zur Empfehlung von Dermatologen, die Haut durch die Verwendung von Sonnenschutzmitteln vor einer zu hohen Einstahlung von UVA (vor allem verantwortlich für die Entstehung des u.a. Melanoms und der vorzeitigen Hautalterung) zu schützen. Der „Lichtschutzfaktor“ der auf diesen Präparaten angebenen wird, gibt die Verlängerung der Zeitspanne wieder, die ein (hellhäutiger) Mensch sich der Sonne ohne Schaden aussetzen kann (Faktor 5 bedeuted 5 mal länger, Faktor 20 bedeuted 20 mal länger usw.). Diese „Verlängerung“ ist individuell unterschiedlich und hat etwas mit der individuellen Hautstruktur zu tun (Die Bewohner von Schweden sind z.B. eher gefährdet als Südeuropäer). Die UVB-abhängige Synthese von Cholecalciferol in der Haut ist altersabhängig. Ein Zwanzigjähriger hat eine im Durchschnitt fünfmal höhere Syntheseleistung als ein Sechzigjähriger. Deshalb ist der Rat, in die Sonne zu gehen, nicht nur „summarisch“ falsch, sondern sehr zweischneidig. Ein junger Mensch kann bei einstündiger Sonnenexposition (bei ausreichend hoher UVB-Energiedichte) 20‘000 IE Cholecalciferol produzieren. Ein alter Mensch kann das nicht. Deshalb sind die Calcidiol Serum- Spiegel alter Menschen auch signifikant tiefer als bei jungen. All diese Daten sind ausreichend bekannt und wissenschaftlich bestätigt. Die Verwendung von Sonnenschutzmitteln blockiert die UVB- abhängige Cholecalciferol-Synthese für ca. 24 Stunden. Das erneute Auftragen eines Sonnenschutzmittels führt dagegen nicht zu einer Verlängerung der nebenwirkungsfreien Aufenthaltsdauer in der Sonne, weil es die Menge der schon erfolgten Einstrahlung von UVA und UVB nicht mehr beeinflußt. Aus all diesen Gründen ist die Aussage des Text-Verfassers „Stattdessen empfehlen wir die einzige naturheilkundliche Therapie: Vermehrter Aufenthalt im Freien … „eine Empfehlung, die gegebenfalls ein hohes Haut-Erkrankungsrisiko beinhaltet!

„Cholecalciferol hat deutlich mehr Nebenwirkung als Kortisol-Präparate“. Dies ist eine weitere wissenschaftlich unfundierte Pauschalbehauptung. In diesem Zusammenhang wären die vom Text-Verfasser immer wieder bemühten „Kumulativbefundrecherchen“ von großem Interesse, um zu erkennen, womit er diese falsche Behauptung wissenschaftlich unterlegen will.

Die Behauptung, dass „durch die Sonne eine ausreichende Versorgung mit Cholecalciferol“ (und dadurch entstehendes Calcidiol) erreicht werden kann ist falsch. Ich zitiere hier das „Fakteblatt“ des Eidgenössischen Department des Inneren EDI, Bundesamt für Gesundheit BAG, der Schweizerischen Eidgenossenschaft https://www.bag.admin.ch Faktenblatt Vitamin D und Sonnenbestrahlung-BAG.

Bei der Betrachtung der beiden folgenden Tabellen gilt es, zur Kenntnis zu nehmen, dass die darin angebenen Aufenthaltsdauern in der Sonne sich auf die über die Haut produzierte Menge von 600 IE Vitamin D beziehen! Für 2000 IE bräuchte es also eine dreienhalb Mal längere Sonnenexpositionszeit.

Dazu hier noch einge weiterführende Arbeiten ohne hier darauf weiter im Detail einzugehen:

„Sunlight exposure is just one of the factors which influence vitamin D status.“ M. Abboud, M. S. Rybchyn, R. Rizk, D. R. Fraser & R. S. Mason Photochemical & Photobiological Sciences volume 16, pages 302–313 (2017)

Photochem Photobiol Sci. 2017 Jun 14;16(6):985-995. doi: 10.1039/c6pp00258g. „The half-life of 25(OH)D after UVB exposure depends on gender and vitamin D receptor polymorphism but mainly on the start level.“ Pameli Datta Peter A PhilipsenPeter OlsenMorten K BoghPeter JohansenAnne V SchmedesNiels MorlingHans C Wulf

Im letzten Absatz seines Textes erwähnt der Verfasser drei kürzlich publizierte Arbeiten:

  • den Nature Reviews Endocrinology 2022; 18:96 von Roger Bouillon et al. „The health effects of VitaminD supplementation: evidence from human studies“. Die letzten beiden Sätze des Abstracts zu diesem Artikel lauten: „In conclusion, supplementation of vitamin D-replete individuals does not provide demonstrable heath benefits. This conclusion does not contradict older guidlines that severe vitamin D deficiency should be prevented or corrected.“ [Fettdruck durch den Autor] Hier wäre die generelle Problematik von Meta-Analysen zu besprechen, was ich nicht tun werde, da ich darauf später noch einmal zurückkomme. Nur so viel: Wenn ich ziemlich undifferenziert 5 Studien mit dem Ergebnis „kein Effekt“ und 5 Studien mit dem Ergebnis „Effekt“ zusammenfasse, kommt im Mittel „0“ heraus. Ob und in wie weit das Intention ist, lasse ich hier offen.
  • Die VITAL-Studie von LeBoff MS et all. (2020) „VITamin D and OmegA-3 Trial (VITAL): Effects of Vitamin D Supplementation on Risk of Falls in the US Population.“ J Clin Endocrinol Metab, September 2020, 105(9): 2929-2938. Dazu ein Zitat aus dem Abstract: „Daily supplemental vitamin D3 vs placebo did not decrease fall risk in generally healthy adults not selected for vitamin D insufficiency“ [Fettdruck durch den Autor]. Mit diesem in Fettdruck kenntlich gemachten Summary ist der Wert dieser Studie für die offiziell adressierte Frage wertlos. Wenn ich wirklich wissen will, ob der Ausgleich eines Vitamin D-Defizits auf das Fall Risiko einen Effekt hat, dann wähle ich für meine Studie spezifisch Personen mit Vitamin D insufficiency!
  • Dann schreibt der Text-Verfasser: „Bei der Fortführung der VITAL-Studie wurde das Depressionsrisiko in einem 2×2 faktoriellen Design mit randomisierter [zufälliger] Zuordnung zum 2000 IE/d Cholecalciferol und Fischöl oder Placebo untersucht. Die Ergebnisse der Studie: Das Risiko für Depressionen oder depressiven Symptomen unterschied sich nicht zwischen der Vitamin-D-Gruppe … und der Placebogruppe.

Dazu an dieser Stelle folgendes: zu Vitamin D-Mangel und Depression gibt es zurzeit 684 Publikationen in PubMed. Darunter 56 klinische Studien und 12 Metanalysen. Von den 12 Metaanalysen zitiere ich hier deren fünf. Vier mit dem Ergebnis einer positiven Korrelation und eine mit keiner Korrelation:

  1. Depress Anxiety. 2020 Jun;37(6):549-564. doi: 10.1002/da.23025. Epub 2020 May 4. „The effect of vitamin D supplement on negative emotions: A systematic review and meta-analysis.“ Ying-Chih Cheng, Yu-Chen Huang, Wei-Lieh Huang

Results: The analysis covered 25 trials with a total of 7,534 participants and revealed an effect of vitamin D on negative emotion (Hedges‘ g = -0.4990, 95% CI [-0.8453, -0.1528], p = .0047, I2 = 97.7%). Subgroup analysis showed that vitamin D had an effect on patients with major depressive disorder and on subjects with serum 25(OH)D levels ≤50 nmol/L. The pooled data from trials of vitamin D supplementation lasting ≥8 weeks and dosage ≤4,000 IU/day indicated that vitamin D had an effect.

Conclusions: Our results support the hypothesis that vitamin D supplementation can reduce negative emotions. Patients with major depressive disorder and individuals with vitamin D deficiency are most likely to benefit from supplementation. But to interpret the results with high heterogeneity should still be cautious.

 

Übersetzung:

[Ergebnisse: Die Analyse umfasste 25 Studien mit insgesamt 7.534 Teilnehmern und ergab einen Effekt von Vitamin D auf negative Emotionen (Hedges‘ g = -0,4990, 95% CI [-0,8453, -0,1528], p = .0047, I2 = 97,7%). Eine Subgruppenanalyse zeigte, dass Vitamin D bei Patienten mit schweren depressiven Störungen und bei Personen mit Serum 25(OH)D-Spiegeln ≤50 nmol/L eine Wirkung hatte. Die gepoolten Daten aus Studien mit einer Vitamin-D-Supplementierung von ≥8 Wochen Dauer und einer Dosierung von ≤4.000 IE/Tag zeigten, dass Vitamin D eine Wirkung hat.

Schlussfolgerungen: Unsere Ergebnisse unterstützen die Hypothese, dass eine Vitamin D-Supplementierung negative Emotionen verringern kann. Patienten mit einer schweren depressiven Störung und Personen mit Vitamin D-Mangel profitieren am ehesten von einer Supplementierung. Dennoch sollte man bei der Interpretation der Ergebnisse aufgrund der großen Heterogenität vorsichtig sein.]

  1. Pharmacol Res. 2023 Jan;187:106605. doi: 10.1016/j.phrs.2022.106605. Epub 2022 Dec 9. „Vitamin D protects against depression: Evidence from an umbrella meta-analysis on interventional and observational meta-analyses.“ Vali Musazadeh, Majid Keramati, Faezeh Ghalichi, Zeynab Kavyani, Zohre Ghoreishi, Kamar Allayl Alras, Naryman Albadawi, Abdullah Salem, Mohamed Ismail Albadawi, Raghad Salem, Ahmed Abu-Zaid, Meysam Zarezadeh, Rania A Mekary

>…“Random-effects model was carried out to calculate the pooled point estimates and their respective 95 % confidence intervals (CI). Ten meta-analyses of randomised controlled trials (RCTs) revealed significant reduction in depression symptoms comparing participants on vitmain D supplements to those on placebo (Pooled standardised mean difference: − 0.40; 95 % CI: − 0.60, − 0.21, p < 0.01: I2 = 89.1 %, p < 0.01). Four meta-analyses of cohort studies (with one having two subgroups) revealed that participants with lower levels of serum vitamin D were at increased odds of depression than those with higher levels of serum vitamin D (Pooled odds ratio: 1.60; 95 % CI: 1.08, 2.36, p < 0.01; I2 = 91.3 %, p < 0.01). The present umbrella meta-analysis confirms the potential benefits of vitamin D supplementation and higher serum vitamin D levels in reducing the development and symptoms of depression.“<

Übersetzung

[„Zur Berechnung der gepoolten Punktschätzungen und ihrer jeweiligen 95 %-Konfidenzintervalle (CI) wurde ein Modell mit zufälligen Effekten durchgeführt. Zehn Meta-Analysen randomisierter kontrollierter Studien (RCTs) ergaben eine signifikante Verringerung der Depressionssymptome bei Teilnehmern, die Vitamin D-Präparate einnahmen, im Vergleich zu denen, die Placebo erhielten (gepoolte standardisierte mittlere Differenz: – 0,40; 95 % CI: – 0,60, – 0,21, p < 0,01: I2 = 89,1 %, p < 0,01). Vier Meta-Analysen von Kohortenstudien (eine davon mit zwei Untergruppen) ergaben, dass Teilnehmer mit niedrigeren Serum-Vitamin D-Spiegeln ein höheres Risiko für Depressionen hatten als Teilnehmer mit höheren Serum-Vitamin D-Spiegeln (gepoolte Odds Ratio: 1,60; 95 % CI: 1,08, 2,36, p < 0,01; I2 = 91,3 %, p < 0,01). Die vorliegende übergreifende Meta-Analyse bestätigt den potenziellen Nutzen einer Vitamin D-Supplementierung und höherer Vitamin D-Serumspiegel bei der Verringerung der Entwicklung und der Symptome von Depressionen.“]

  1. J Nutr Health Aging. 2013;17(5):447-55.doi: 10.1007/s12603-012-0418-0. „Serum 25-hydroxyvitamin D levels and the risk of depression: a systematic review and meta-analysis.“ S-Y Ju, Y-J Lee, S-N Jeong

Results: In the meta-analysis, 25(OH)D levels were significantly inversely associated with depression in 5 of 11 case-control studies and 2 of 5 cohort studies. The pooled estimate of the adjusted OR of depression in 11 cross-sectional studies (n = 43,137) was 0.96 (95% CI = 0.94-0.99, I2 = 63%) for a 10 ng/ml increase in 25(OH)D levels. The 5 included cohort studies comprised 12,648 participants, primarily elderly individuals, whose serum 25(OH)D levels were measured, and 2,663 experienced depression events during follow-up. The pooled adjusted OR of depression was 0.92 (95% CI = 0.87-0.98, I2 = 50%) for a 10 ng/ml increase in 25(OH)D levels.

Conclusions: Our results indicate an inverse association between serum 25(OH)D levels and the risk of depression. Further studies are warranted to establish whether this association is causal.

Übersetzung:

[Ergebnisse: In der Meta-Analyse war der 25(OH)D-Spiegel in 5 von 11 Fall-Kontroll-Studien und 2 von 5 Kohortenstudien signifikant umgekehrt mit Depressionen verbunden. Die gepoolte Schätzung des bereinigten OR für Depressionen in 11 Querschnittsstudien (n = 43.137) betrug 0,96 (95% CI = 0,94-0,99, I2 = 63%) für einen Anstieg des 25(OH)D-Spiegels um 10 ng/ml. Die 5 eingeschlossenen Kohortenstudien umfassten 12 648 Teilnehmer, in erster Linie ältere Menschen, deren 25(OH)D-Serumspiegel gemessen wurde, und 2 663 erlebten während der Nachbeobachtung ein depressives Ereignis. Das gepoolte bereinigte OR für Depressionen betrug 0,92 (95% CI = 0,87-0,98, I2 = 50%) für einen Anstieg des 25(OH)D-Spiegels um 10 ng/ml.

Schlussfolgerungen: Unsere Ergebnisse deuten auf einen umgekehrten Zusammenhang zwischen den 25(OH)D-Serumspiegeln und dem Risiko einer Depression hin. Weitere Studien sind erforderlich, um festzustellen, ob dieser Zusammenhang kausal ist.]

 

  1. Public Health Nutr. 2021 Jun;24(8):2161-2170. doi: 10.1017/S1368980019004919. Epub 2020 Dec 18. „Poor vitamin D status and the risk of maternal depression: a dose-response meta-analysis of observational studies.“ Quansheng Tan, Shuai Liu, Dajie Chen

Results: Twelve observational studies with thirteen independent reports involving 10 317 pregnant women were included. Compared with the lowest category of 25(OH)D, the pooled OR for the highest category of MD was 0·49 (95 % CI 0·35, 0·63); a high heterogeneity was observed (P = 0·001, I2 = 82·1 %). A non-linear association between 25(OH)D and MD was found (P for non-linearity = 0·001); the dose-response analysis indicated that the lowest pooled OR was at blood 25(OH)D concentrations of 90-110 nmol/l. Subgroup analyses suggested a stronger association between 25(OH)D and MD in summer time (OR 0·25, 95 % CI 0·08, 0·43) than in other seasons (OR 0·68, 95 % CI 0·52, 0·83) (P for interaction = 0·008). A visual inspection of funnel plot and Begg’s and Egger’s tests did not indicate any evidence of publication bias.

Conclusions: Low circulating 25(OH)D is associated with MD, and our analysis suggests that they influence each other. Further randomised controlled trials would be needed to determine the direction of causation.

Übersetzung:

[Ergebnisse: Zwölf Beobachtungsstudien mit dreizehn unabhängigen Berichten, an denen 10 317 schwangere Frauen beteiligt waren, wurden einbezogen. Im Vergleich zur niedrigsten 25(OH)D-Kategorie betrug die gepoolte OR für die höchste MD-Kategorie 0-49 (95 % CI 0-35, 0-63); es wurde eine große Heterogenität festgestellt (P = 0-001, I2 = 82-1 %). Es wurde ein nichtlinearer Zusammenhang zwischen 25(OH)D und MD festgestellt (P für Nichtlinearität = 0-001); die Dosis-Wirkungs-Analyse zeigte, dass die niedrigste gepoolte OR bei 25(OH)D-Konzentrationen im Blut von 90-110 nmol/l auftrat. Subgruppenanalysen ergaben einen stärkeren Zusammenhang zwischen 25(OH)D und MD in der Sommerzeit (OR 0-25, 95 % CI 0-08, 0-43) als in anderen Jahreszeiten (OR 0-68, 95 % CI 0-52, 0-83) (P für Interaktion = 0-008). Eine visuelle Inspektion des Funnel Plots und der Begg- und Egger-Tests ergaben keine Hinweise auf eine Verzerrung der Veröffentlichungen.

Schlussfolgerungen: Niedrige zirkulierende 25(OH)D-Werte sind mit MD assoziiert, und unsere Analyse legt nahe, dass sie sich gegenseitig beeinflussen. Weitere randomisierte kontrollierte Studien wären erforderlich, um die Richtung der Kausalität zu bestimmen.]

  1. Actas Esp Psiquiatr. 2021 Jan;49(1):12-23. Epub 2021 Jan 1. „Efficacy of vitamin D in the treatment of depression: a systematic review and meta-analysis.“ Ana Lázaro Tomé, M José Reig Cebriá, Aurora González-Teruel, Juan Antonio Carbonell-Asíns, Carlos Cañete Nicolás, Miguel Hernández-Viadel

Results. A total of 10 RCTs involving 1.393 participants were included in the study. Given the heterogeneity of the studies, the random effects model was used. The result of the meta-analysis indicates that oral administration of vitamin D did not have a significant effect on the reduction of post-intervention depression scores. The standardized mean difference for the pooled data was -0,91 (95% confidence interval -2,02 – 0,19).

Übersetzung:

[Ergebnisse. Insgesamt wurden 10 RCTs mit 1.393 Teilnehmern in die Studie aufgenommen. Angesichts der Heterogenität der Studien wurde das Modell der zufälligen Effekte verwendet. Das Ergebnis der Meta-Analyse zeigt, dass die orale Verabreichung von Vitamin D keinen signifikanten Einfluss auf die Verringerung der Depressionswerte nach der Intervention hatte. Die standardisierte mittlere Differenz für die gepoolten Daten betrug -0,91 (95% Konfidenzintervall -2,02 – 0,19).]

Wissenschaft ist komplex, ebenso die Interpretation klinischer Studien. Beides ist offensichtlich zu komplex für den Text-Verfasser und sein „medizinisch-wissenschaftliches“ Team.

Auf zwei weitere Studien möchte ich im Folgenden noch etwas genauer eingehen:

Die D2d-Studie „über 2400 (Personen) mit einer mittleren Beobachtungszeit von 2,5 Jahren.  Chatterjee R et al. (2021) „Vitamin D Supplementation for Prevention of Cancer: The D2d Cancer Outcomes (D2dCA) Ancillary Study.“ (2021) J Clin Endocrinol & Metab 106(9): 2767-2778. Bei der Erwähnung dieser Studie hat der Text-Verfasser die dazu gehörige Studie von Pittas AG et al. (2019) „Vitamin D Supplementation and Prevention of Typ 2 Diabetes.“ N Engl J Med, August 08; 381(6): 520-530 vergessen. Aus dem Abstract von letzterer: „Conclusions: Among persons at high risk for type 2 diabetes not selected for vitamin D insufficiency, vitamin D3 supplementation at a dose of 4000 IU per day did not result in a significant lower risk of diabetes than placebo.“ Es gilt auch das Gleiche wie weiter oben: der Text-Verfasser hat sein Thema verfehlt.

Bevor ich auf diese beiden Studien eingehe, möchte ich allerdings zuvor zum besseren Verständnis den „Hintergrund“ meiner Kritik in zwei anderen, aber vergleichbaren, Kontexten beleuchten:

  • Im Jahr 2002 fand die WHI (Women’s Health Initiative Study) ihr unrühmliches vorzeitiges Ende. (Rossouw et al. (writing group of the trial) (2002) „Risks and benefits of estrogen plus progestin in healthy postmenopausal women: principal results From the Women’s Health Initiative randomized controlled trial.“ 2002 Jul 17; 288(3):321-33. doi: 10.1001/jama.288.3.321) Dazu ein Zitat aus dem Abstract: Conclusions: Overall health risks exceeded benefits from use of combined estrogen plus progestin for an average 5.2-year follow-up among healthy postmenopausal US women. All-cause mortality was not affected during the trial. The risk-benefit profile found in this trial is not consistent with the requirements for a viable intervention for primary prevention of chronic diseases, and the results indicate that this regimen should not be initiated or continued for primary prevention of CHD.“

Diese Präventionsstudie (abgebrochen übrigens nach 5,2 Jahren, man vergleiche dies mit den 2,5 Jahren der D2dCa Studie) wurde unberechtigterweise abgebrochen mit einem kaum fassbaren Schaden für die Frauen. Nicht nur, dass dies eine der größten Präventionsstudien war, die überhaupt jemals durchgeführt wurden, es war auch eine der am schlechtesten konzipierten, wenigstens bezogen auf das (vorgeblich) propagierte Hauptziel, den Schutz von Frauen vor Brustkrebs. Zu dieser Studie gibt es, bis heute sage und schreibe 794 „Folgepublikationen“. Schon 2005 publizierten Klaiber und Kollegen eine Kritik an der Studie (Edward L Klaiber William VogelSusan Rako (2005) „A critique of the Women’s Health Initiative hormone therapy study“ Fertil Steril. 2005 Dec;84(6):1589-601. doi: 10.1016/j.fertnstert.2005.08.010). Dazu ein Zitat aus der Zusammenfassung: „This review critiques the Women’s Health Initiative (WHI) study, focusing on aspects of the study design contributing to the adverse events resulting in the study’s discontinuation.“

Schon 2004 erschien in JAMA eine Folgepublikation in der im CEE (conjugated equine estrogen) Arm eine annähernd signifikante Brustkrebs Risiko Reduktion von 23% (HR 0,77; 95% CI 0,59-1,01) p=0,06 publiziert wurde (Anderson GL et al. (2004) „Effects of conjugated equine estrogen in postmenopausal women with hysterectomy: the Women’s Health Initiative randomized controlled trial.“ JAMA. 2004 Apr 14; 291(14):1701-12. doi: 10.1001/jama.291.14.1701).

Es dauerte bis 2018 (Manson JE et al. 2018, Author manuscript: available in PMC 2018, September 12.) bis die Daten zur Brustkrebssterblichkeit (CEE plus MPA versus Placebo 1,44 (HR(95% CI) 0,97-2,15) p 0,07 (nicht ! signifikante Risiko Erhöhung) [Das Abbruch Kriterium 2002] und CEE allein versus Placebo 0,55 (HR(95% CI) 0,33-0,92) p 0,02 (Signifikante Risiko Senkung) publiziert wurden. („Menopausal Hormone Therapy and Long-term All-Cause and Cause-Specific Mortality: The Women’s Health Initiative Randomized Trials,“ JAMA. 2017 Sep 12;318(10):927-938. doi: 10.1001/jama.2017.11217).

Und es dauerte noch einmal 2 Jahre, bis sich die Autoren der Erstpublikation öffentlich entschuldigten. Aber der Schaden war angerichtet und dauert – zumindest in den deutschen Mainstream-Medien – bis heute fort. In regelmäßigen Abständen wird den Frauen erneut und erneut Angst vor einer Hormon-Ersatz-Therapie gemacht. Hier möchte ich nicht näher darauf eingehen, dass eine Substitution mit chemisch veränderten Hormonen (CEE und Progestin) nicht sinnvoll ist, sondern eine individualisierte Substitution mit bioidentischen Hormonen Östrogen und Progesteron. Aber bei einer individualisierten Substitution kann die Pharmaindustrie natürlich nichts verdienen.

  • 2) Der SELECT Trial, wurde in der Endform 2009 publiziert (Lippman SM et al. (2009) „Effect of Selenium and Vitamin E on Risk of Prostate Cancer and Other Cancers: The Selenium and Vitamin E Cancer Trial (SELECT)“ JAMA 2009 January 7; 301(1): 39-51. Doi:10.1001/jama.2008.864) Die Studie konnte keinen positiven Effect auf die Prävention von Prostata-Krebs zeigen. Die Veröffentlichung löste damals einen internationalen Aufschrei unter Fachleuten aus, weil sie derart schlecht konzipiert war, dass eigentlich auch ein anderes Ergebnis nicht zu erwarten war. Was waren die Probleme? 1.) Es wurden Männer in den USA und Canada substituiert. Weil in den USA damals schon Selen den Düngemitteln zugesetzt wurde, gab es deshalb (und gibt es noch immer noch nicht) in den USA, wie schlecht man sich auch ernähren mag, keinen Selen-Mangel. Canada auf der anderen Seite hat selenreiche Böden, sodass es auch hier keinen Selen-Mangel gibt. 2.) Es wurde mit Selenomethionin substituiert. Selenomethionin ist stoffwechsel-physiologisch nicht aktiv und wird sofort in den muskulären Selen-Speicher eingebaut. Vitamin E (ein Gemisch aus den 8 Verbindungen Tocopherol und Tocotrienol) wurde gar nicht eingesetzt, sondern nur a-Tocopherol, das den niedrigsten anticancerogenen Effect hat, aber als „Vitamin E“ damals wie heute in den meisten „Vitamin E“-Präparaten enthalten ist, und in der Nahrungsmittel-Industrie in großen Mengen als Antioxidanz von Fertignahrung eingesetzt wird. 3.) -Tocopherol hatte zuvor in der ATBC-Studie (a-Tocopherol-b-Carotene-Studie) einen Prostatakrebs-präventiven Effekt gezeigt. Das war aber nur ein Nebenergebnis, weil die Studie eigentlich mit dem Hauptendpunkt der Lungenkrebs-Prävention unternommen wurde. Die ATBC-Studie wurde massiv von F.Hoffmann-La Roche finanziert, damals der Weltmarktführer in der Produktion von Vitaminen (weil, so behaupte ich, sich Roche bei einem positiven Ausgang der Studie im Kollektiv der Raucher ein milliardensschweres Geschäft versprach). Allein zur ATBC-Studie gibt es bis heute 1771 Folgeveröffentlichungen, deren Ergebnisse hochinteressant sind, und auch (nachträglich) beleuchtet haben, warum die Studie im Hauptendpunkt negativ war. 4.) a-Tocopherol ist nur in der reduzierten Form cytoprotectiv, aber in der oxidierten Form cytotoxisch. 5.) Zur Regeneration der reduzierten Form von a-Tocopherol benötigt der Körper ausreichend hohe Mengen an Vitamin C und a-Liponsäure, was bei den meisten Europäern, US-Amerikanern, Kanadiern nicht gegeben ist. 6.) Carotenoide (eine Stoffgruppe von ca. 400 natürlichen Verbindungen mit diversen positiven Eigenschaften wurde gar nicht eingesetzt, sondern nur ein von Roche produziertes b-Carotin. Dieses wird in der Lunge bei Vorhandensein eines hohen oxidativen Stresses in procancergene, also Krebserzeugende Verbindungen umgewandelt. Dieser hohe Oxidations-Stress liegt bei Rauchern vor. ) Im SELECT-Trial wurde eine 8x höhere (!) a-Tocopherol Menge substituiert als damals im ATBC-Trial, die potentiell toxisch war. Eine Begründung für diese exorbitant hohe, unphysiologische a-Tocopherol-Substitution sind die Wissenschaftler und Mediziner, die den SELECT-Trial konzipiert haben, bis heute schuldig geblieben. Es erübrigt sich fast, festzustellen, dass der Vitamin C-und a-Liponsäure-Status der teilnehmenden Männer natürlich nicht gemessen wurde (trotz vorhandenen Wissens über deren Funktion und stoffwechsel-physiologische Bedeutung), was zumindest im Nachgang für den ATBC-Trial erfolgte, mit dem Ergebnis, dass die Subgruppe der Teilnehmer dieser Studie, die eine gute Vitamin C-Versorgung hatten, auch mit signifikant besseren Ergebnissen abgeschnitten hatte.

Zusammenfassend für die WHI und die SELECT Studie lässt sich also feststellen, dass schlecht konzipierte und durchgeführte Studien, wie groß sie auch seien, wenn sie anscheinend „negativ“ ausfallen, keinen Anhalt dafür liefern, dass die ursprünglich gestellten Fragen als tatsächlich negativ beantwortet gelten können. Im Gegenteil ergibt sich sogar die Frage, ob diese Studien allenfalls deshalb so konzipiert und durchgeführt wurden, um bewusst ein negatives Ergebnis zu erzielen, damit jemand davon profitiert. Und ich erlaube mir hier schon die Frage: Woran verdient die Pharmaindustrie und unsere Medizinindustrie mehr, an der Behandlung von Brustkrebs und Prostatakrebs (Operation, Chemotherapie, Bestrahlung usw.) oder an deren präventiven Inzidenz-Senkungen?

Kommen wir nun aber zurück zu Vitamin D.

1.)  In ihrer Studie zu Vitamin D und seiner Bedeutung für die Bedeutung für die Knochendichte konnten Powe und Kollegen zeigen, dass es nicht auf die Gesamtmenge an zirkulierenden Calcidiol, sondern auf die Menge von freiem Calcidiol ankommt (Powe CE et al.(2011) „Vitamin D-binding protein modifies the vitamin D-bone mineral density relationship.“ J Bone Miner Res. 2011 Jul;26(7):1609-16. doi: 10.1002/jbmr.387).

2.) Ying H-Q et al. (2015) „Circulating vitamin D binding protein, total, free and bioavailable 25-hydroxyvitamin D and risk of colorectal cancer.“ Sci Rep. 2015 Jan 22;5:7956. doi: 10.1038/srep07956

In Ihrer Studie konnten Ying und Kollegen überzeugend zeigen, dass es sehr wohl einen Zusammenhang zwischen niedrigen 25-OH-D (Calcidiol) Serum-Spiegeln und Darmkrebs gibt. Dazu füge ich hier die Kerndaten dieser Studie ein:

In den „Fällen“ in denen sich ein Colon Carcinom entwickelte war der Calcidiol (gesamt, freies, und bioverfügbares) signifikant niedriger als in den Kontrollen (siehe obige Tabelle die letzten 3 Zeilen).

In dieser Tabelle sind Colonkrebs-Fallzahlen in 4 Gruppen aufgeteilt. Personen mit einem sehr niedrigen Gesamt, freiem-, bioverfügbaren Calcidiol (Quartile 1) bis zu einem hohen (Quartile 4). p-trend gibt dabei die Signifikanz der Unterschiede der Fallzahlen, abhängig vom Calcidiol Serum- Spiegel an. Es gilt dabei, zu berücksichtigen, dass die Erkrankungshäufigkeit (Inzidenz) bei einem Gesamt Calcidiol von größer= (>) 28,8 ng/ml am niedrigsten war (dies ist der Calcidiol Serum-Spiegel, mit dem die D2dCA Studie anfängt! Bei der Signifikanz-Berechnung wurden sogenannte „confounding factors“ (das Ergebnis potentiell beeinflussende Faktoren) [a Alter + Geschlecht; b Alter + Geschlecht + BMI + Rauchen + Trinken + Diabetes + Bluthochdruck; c Alter + Geschlecht + BMI + Trinken + Diabetes + Bluthochdruck + entweder total Calcidiol oder VDBP (Vitamin Bindungs Protein)] berücksichtigt.

Zum Verständnis dieser sehr differenzierten Studie, welche – abhängig von den Konzentrationen von im Blut zirkulierendem VDBP, totalem, freien und bioverfügbaren 25-OH-D3 – signifikante Bezüge zum Risiko für Darmkrebs aufzeigen konnte, ist es essentiell, zur Kenntnis zu nehmen, dass in dieser Studie die Komplexität des Hormon D-Systems berücksichtigt worden ist, was im Gegensatz zu der vom Text-Verfasser zitierten, schlecht und schlampig durchgeführten, D2d-Studie nicht der Fall war. Ich nehme dies an dieser Stelle vorweg.

  1. In der randomisierten klinischen Studie von Hansen und Kollegen wurde der Effekt von Vitamin D in postmenopausalen Frauen auf die Knochendichte untersucht (Hansen KE et al. (2015) „Treatment of Vitamin D Insufficiency in Postmenopausal Women: A Randomized Clinical Trial.“ JAMA Intern Med. 2015 Oct; 175(10):1612-21. doi: 10.1001/jamainternmed.2015.3874).

Das Ergebnis war negativ (was bei näherem Hinsehen nicht verwundert) und die Autoren schließen aus ihren Ergebnissen, dass es keinen Sinn macht, 25-OH-D Plasma-Spiegel von > 30 ng/ml herzustellen oder zu erhalten, sondern stützen die immer noch gängige Behauptung (der Standard-Medizin und der geltenden Leitlinien), dass eine tägliche Aufnahme von 800 IE Vitamin D völlig ausreichend sei: >> CONCLUSION AND RELEVANCE: High-dose cholecalciferol therapy increased calcium absorption, but the effect was small and did not translate into beneficial effects on bone mineral density, muscle function, muscle mass, or falls. We found no data to support experts‘ recommendations to maintain serum 25(OH)D levels of 30 ng/mL or higher in postmenopausal women. Instead, we found that low- and high-dose cholecalciferol were equivalent to placebo in their effects on bone and muscle outcomes in this cohort of postmenopausal women with 25(OH)D levels less than 30 ng/mL. <<

Übersetzung:

[SCHLUSSFOLGERUNG UND RELEVANZ: Eine hochdosierte Cholecalciferol-Therapie erhöhte die Kalziumabsorption, aber der Effekt war gering und führte nicht zu positiven Auswirkungen auf die Knochenmineraldichte, die Muskelfunktion, die Muskelmasse oder Stürze. Wir fanden keine Daten, die die Empfehlungen von Experten stützen, bei postmenopausalen Frauen einen Serum 25(OH)D-Spiegel von 30 ng/ml oder höher aufrechtzuerhalten. Stattdessen stellten wir fest, dass niedrig und hoch dosiertes Cholecalciferol in dieser Kohorte postmenopausaler Frauen mit 25(OH)D-Spiegeln unter 30 ng/ml in ihrer Wirkung auf die Knochen- und Muskelleistung mit Placebo gleichwertig waren.]

Nicht nur, dass diese Schlussfolgerung (aus einer schlecht konzipierten, schlampig durchgeführten und das Hormon D-System nicht verstehenden Studie) wissenschaftlich unzulässig ist, es ist auch zu fragen, warum in dieser 2015 publizierten Studie die konträren Ergebnisse von Aloia und Kollegen aus dem Jahr 2013 noch nicht einmal diskutiert wurden!

  1. Aloia JF et al. (2013) „Calcium and vitamin d supplementation in postmenopausal women.

J Clin Endocrinol Metab. 2013 Nov;98(11):E1702-9. doi: 10.1210/jc.2013-2121. Epub 2013 Sep 24. PMID: 24064695

In dieser 4-armigen klinischen Studie 1) doppeltes Placebo, 2) Calcium (1200 mg/d) + Placebo, 3) Vitamin D3 (100 mg pro d, [100 mg = 4000 IE]), und 4) Calcium + Vitamin D (double-blind, placebo-controlled paralle, longitudinal factorial study) mit 6 Monaten Dauer, konnten die Autoren zeigen, dass beides, Calcium und Vitamin D, notwendig sind, um Parathormon und die Knochen-Umsatz-Parameter  CTX (cross-linked C-telopeptide) und P1NP (procollagen type 1 N-terminal propeptide) signifikant zu senken, das heißt, den osteoporotischen Knochenabbau zu reduzieren.

Es kommt also darauf an, sich Studien genau anzusehen und sie auch zu verstehen. Beide Vorbedingungen sind beim Text-Verfasser (und seinem medizinisch-wissenschaftlichen Team) noch nicht einmal in den Grundlagen erfüllt.

Aus den hier wiedergegebenen Studien ergibt sich erneut die Frage: Was war die Intention der Autoren?

Ich möchte hier die aktuelle Arbeit von Professor Armin Zittermann zitieren: Critical Appraisal of Large Vitamin D Randomized Controlled Trials. Pilz S, Trummer C, Theiler-Schwetz V, Grübler MR, Verheyen ND, Odler B, Karras SN, Zittermann A, März W. Nutrients. 2022 Jan 12;14(2):303. doi: 10.3390/nu14020303. PMID: 35057483

Ich zitiere deren Abstract: >> As a consequence of epidemiological studies showing significant associations of vitamin D deficiency with a variety of adverse extra-skeletal clinical outcomes including cardiovascular diseases, cancer, and mortality, large vitamin D randomized controlled trials (RCTs) have been designed and conducted over the last few years. The vast majority of these trials did not restrict their study populations to individuals with vitamin D deficiency, and some even allowed moderate vitamin D supplementation in the placebo groups. In these RCTs, there were no significant effects on the primary outcomes, including cancer, cardiovascular events, and mortality, but explorative outcome analyses and meta-analyses revealed indications for potential benefits such as reductions in cancer mortality or acute respiratory infections. Importantly, data from RCTs with relatively high doses of vitamin D supplementation did, by the vast majority, not show significant safety issues, except for trials in critically or severely ill patients or in those using very high intermittent vitamin D doses. The recent large vitamin D RCTs did not challenge the beneficial effects of vitamin D regarding rickets and osteomalacia, that therefore continue to provide the scientific basis for nutritional vitamin D guidelines and recommendations. There remains a great need to evaluate the effects of vitamin D treatment in populations with vitamin D deficiency or certain characteristics suggesting a high sensitivity to treatment. Outcomes and limitations of recently published large vitamin D RCTs must inform the design of future vitamin D or nutrition trials that should use more personalized approaches. <<

Übersetzung:

[Infolge epidemiologischer Studien, die einen signifikanten Zusammenhang zwischen Vitamin D-Mangel und einer Reihe von nachteiligen klinischen Ergebnissen außerhalb des Skeletts, einschließlich Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Sterblichkeit, zeigten, wurden in den letzten Jahren große randomisierte kontrollierte Vitamin D-Studien (RCTs) konzipiert und durchgeführt. Die überwiegende Mehrheit dieser Studien beschränkte ihre Studienpopulationen nicht auf Personen mit Vitamin D-Mangel, und einige erlaubten sogar eine moderate Vitamin D-Supplementierung in den Placebogruppen. In diesen RCTs gab es keine signifikanten Auswirkungen auf die primären Endpunkte, einschließlich Krebs, kardiovaskuläre Ereignisse und Sterblichkeit, aber explorative Endpunktanalysen und Meta-Analysen ergaben Hinweise auf einen potenziellen Nutzen, z. B. eine Verringerung der Krebssterblichkeit oder akuter Atemwegsinfektionen. Wichtig ist, dass die Daten aus RCTs mit relativ hohen Dosen von Vitamin D-Supplementierung in der überwiegenden Mehrheit keine signifikanten Sicherheitsprobleme aufzeigten, mit Ausnahme von Studien mit kritisch oder schwer kranken Patienten oder solchen, die sehr hohe intermittierende Vitamin D-Dosen verwendeten. Die jüngsten großen Vitamin D-RCTs haben die positiven Auswirkungen von Vitamin D auf Rachitis und Osteomalazie nicht in Frage gestellt, so dass sie weiterhin die wissenschaftliche Grundlage für die Leitlinien und Empfehlungen zur Vitamin D-Ernährung bilden. Es besteht nach wie vor ein großer Bedarf an der Bewertung der Auswirkungen einer Vitamin D-Behandlung in Bevölkerungsgruppen mit Vitamin D-Mangel oder bestimmten Merkmalen, die auf eine hohe Empfindlichkeit gegenüber der Behandlung hindeuten. Die Ergebnisse und Einschränkungen der kürzlich veröffentlichten großen Vitamin D-RCTs müssen in die Gestaltung künftiger Vitamin D-Studien oder Ernährungsstudien einfließen, die stärker personalisierte Ansätze verwenden sollten.]

Die Kritik von Zitterman und Kollegen zielt also darauf ab, dass eine große Zahl der in den letzten Jahren durchgeführten RTC-Studien nicht die Grundvoraussetzungen erfüllen, um die in diesen Studien gestellten Fragen ausreichend zu beantworten, sondern im Gegenteil nur die nach wie vor vorherrschenden Klischees bedienen. Ich lasse hier erst einmal offen, was der Hintergrund und ggf. die Absichten dieser Studien sein könnten, verweise aber schon einmal auf meine schon gemachten Bemerkungen zur WHI-Studie, der ATBC-Studie und der SELECT-Studie und möchte jetzt zu der vom Text-Verfasser bemühten D2d-Studie kommen, die er ja dazu benutzt, um seine These „In keiner dieser mit höchster wissenschaftlicher Evidenz [Evidenz ist Erkenntnis] durchgeführten Studien konnte der jeweilige Endpunkt erreicht werden: Es gab keine Reduktion der Entwicklung von Krebs, kardiovaskulären Erkrankungen oder der Progression zum Typ-2-Diabetes oder der Mortalität.“ Auch hier bitte ich den Leser, auf meine kritische Betrachung der „negativen“ im Vergleich zu den „positiven“ Studien zurückzukommen.

Ich zitiere den Abstract der D2d Studie (Chatterjee R et al. (2021) „Vitamin D Supplementation for Prevention of Cancer: The D2d Cancer Outcomes (D2dCA) Ancillary Study“ J Clin Endocrin&Metabol 2021, 106(9): 2767-2778 doi:10.1210/clinem/dgab 153 [Ancilliary kann mit „ergänzend“ aber auch „untergeordnet“ oder „nebensächlich“ übersetzt werden]):

Context: Observational studies suggest that low vitamin D status may be a risk factor for cancer.

Objective: In a population with prediabetes and overweight/obesity that is at higher risk of cancer than the general population, we sought to determine if vitamin D supplementation lowers the risk of cancer and precancers.

Methods: The Vitamin D and type 2 diabetes (D2d) cancer outcomes study (D2dCA) is an ancillary study to the D2d study, which was conducted at 22 academic medical centers in the United States. Participants had prediabetes and overweight/obesity and were free of cancer for the previous 5 years. Participants were randomized to receive vitamin D3 4000 IU daily or placebo. At scheduled study visits (4 times/year), cancer and precancer events were identified by questionnaires. Clinical data were collected and adjudicated for all reported events. Cox proportional hazard models compared the hazard ratio (HR) of incident cancers and precancers between groups.

Results: Over a median follow-up period of 2.9 years, among 2385 participants (mean age 60 years and 25-hydroxyvitamin D 28 ng/mL), there were 89 cases of cancer. The HR of incident cancer for vitamin D vs placebo was 1.07 (95% CI 0.70, 1.62). Of 241 participants with incident precancers, 239 had colorectal adenomatous polyps. The HR for colorectal polyps for vitamin D vs placebo was 0.83 (95% CI 0.64, 1.07).

Conclusion: In the D2d population of participants with prediabetes and overweight/obesity, not selected for vitamin D insufficiency, vitamin D supplementation did not have a significant effect on risk of incident cancer or colorectal polyps. [Fettdruck der Autor, wieder eine Studie, die gar nicht für die gestellte Frage konzipiert war, wenn ich wissen will ob Vitamin D-Substitution einen präventiven Effekt hat, dann untersuche ich Personen, die einen Vitamin D3 Mangel haben, und nicht solche die zu einem überwiegenden Teil ausreichend oder sogar gut mit Vitamin D3 versorgt sind!]

Übersetzung:

Der Kontext: Beobachtungsstudien legen nahe, dass ein niedriger Vitamin D-Status ein Risikofaktor für Krebs sein kann.

Zielsetzung: In einer Bevölkerungsgruppe mit Prädiabetes und Übergewicht/Fettleibigkeit, die ein höheres Krebsrisiko hat als die Allgemeinbevölkerung, wollten wir herausfinden, ob eine Vitamin D-Supplementierung das Risiko für Krebs und Krebsvorstufen senkt.

Methoden: Die Vitamin D and type 2 diabetes (D2d) cancer outcomes study (D2dCA) ist eine ergänzende Studie zur D2d-Studie, die an 22 akademischen medizinischen Zentren in den Vereinigten Staaten durchgeführt wurde. Die Teilnehmer hatten Prädiabetes und Übergewicht/Adipositas und waren in den letzten 5 Jahren krebsfrei. Die Teilnehmer wurden nach dem Zufallsprinzip für die Einnahme von Vitamin D3 4000 IE täglich oder Placebo ausgewählt. Bei den geplanten Studienbesuchen (4 Mal pro Jahr) wurden Krebs- und Krebsvorstufen durch Fragebögen ermittelt. Für alle gemeldeten Ereignisse wurden klinische Daten gesammelt und ausgewertet. Anhand von Cox-Proportional-Hazard-Modellen wurde die Hazard Ratio (HR) von Krebs- und Krebsvorstufenereignissen zwischen den Gruppen verglichen.

Ergebnisse: Während einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 2,9 Jahren traten bei 2385 Teilnehmern (Durchschnittsalter 60 Jahre und 25-Hydroxyvitamin D 28 ng/mL) 89 Krebsfälle auf. Die HR für das Auftreten von Krebs unter Vitamin D im Vergleich zu Placebo betrug 1,07 (95% CI 0,70, 1,62). Von 241 Teilnehmern mit Vorstufen von Krebs hatten 239 kolorektale adenomatöse Polypen. Die HR für kolorektale Polypen lag für Vitamin D im Vergleich zu Placebo bei 0,83 (95% CI 0,64, 1,07).

Schlussfolgerung: In der D2d-Population von Teilnehmern mit Prädiabetes und Übergewicht/Adipositas, die nicht auf Vitamin D-Insuffizienz selektiert wurden, hatte die Vitamin D-Supplementierung keine signifikante Wirkung auf das Risiko für das Auftreten von Krebs oder kolorektalen Polypen.

Vorwegnehmend möchte ich dazu feststellen, dass diese Studie hinsichtlich Anzahl von Teilnehmern pro Arm und Dauer gar nicht gross genug war, um eine statistisch signifikante Reduktion nachweisen zu können. Im Weiteren gilt es folgendes festzuhalten:

  1. Nicht nur Beobachtungsstudien legen nahe, dass ein Zusammenhang zwischen niedrigem Vitamin D-Spiegel und Krebsrisiko besteht, sondern auch die oben detailliert wiedergegebene Studie von Ying und Kollegen. Ebenso die Fall-Kontroll-Studie und Meta-Analyse von Choi YJ (Choi YJ et al. (2015) „Circulating levels of vitamin D and colorectal adenoma: A case-control study and a meta-analysis.“ World J Gastroenterol. 2015 Aug 7;21(29):8868-77. doi: 10.3748/wjg.v21.i29.8868).

 

Ich könnte hier noch wesentlich mehr Studien zitieren, aber das ist gar nicht nötig. Alle diese Studien, die ein positives Resultat (ein niedriger 25-OH-D-Spiegel geht mit einem  höheren Krebsrisiko einher und ein hoher 25-OH-D-Spiegel korreliert mit einem niedrigen Krebsrisiko) berichteten, haben dies für 25-OH-D Serum-Spiegel < 20-25 ng/ml getan. In der hier zur Diskussion stehende D2dCA-Studie hatten die Teilnehmer schon zu Studien-Beginn einen 25-OH-D Serum-Spiegel von im Mittel 28 ng/ml Serum.

2. Eine detailierte Darstellung der 25-OH-D-Serum-Spiegel der Teilnehmer der D2dCA-Studie sucht man in dieser Publikation vergebens, findet dafür aber einen Verweis (Referenz 13) auf eine andere Studie. Es wird nur ein mittlerer 25-OH-D-Spiegel von 28 ng/ml aller Teilnehmer zu Beginn er Studie angegeben.

3. Dafür wird unter „Results“ angegeben, dass der mittlere 25-OH-D-Spiegel (und damit ist der Basis-Spiegel gemeint) 28 ng/ml betrug, also schon ohne Substitution höher lag, als diejenigen Spiegel, welche in den von mir zitierten Studien als „wenig kritisch“ und mit dem niedrigsten Risiko assoziiert beschrieben wurden.

4. Eine detaillierte Analyse der in der D2dCA-Studie adressierten Frage (Senkung des coloractalen Krebsrisikos) sucht man vergebens, weil sie schlicht und einfach nicht erfolgt ist. Weder 1,25-OH-D, VDBP, freies 25-OH-D, Parathormon, bioverfügbares 25-OH-D sind hier untersucht worden, geschweige denn der Mutationsstatus von 25-Hydroxylase oder 24-Hydroxylase (siehe unten).

5. Dafür findet man auf Seite 2772 eine Zusammenfassung der „Baseline“ Charakteristika der Teilnehmer, aus der ich hier nur die 25-OH-D Daten wiedergeben will:

Mit anderen Worten hatten nur 4,2% der Studienteilnehmer hatten ein hohes (25-OH-D < 12 ng/ml) und 17,3% ein mäßig erhöhtes Risiko eines durch 25-OH-D-Mangel vermittelten colorectalen Karzinoms (nach vorliegender und durch eine große Zahl von Studien bestätigter Datenlage). Es ist also kein Wunder, das diese Studie ein „negatives“ Ergebnis hatte. Das war eigentlich schon klar, als die Autoren mit ihrer „Teilnehmerauswahl“ fertig waren, ähnlich wie bei der SELECT-Studie.

Die dieser „ancilliary“ D2dCA zugrundeliegende Studie ist die von Anastassios G et al. („ Vitamin D Supplementation and Prevention of Type 2 Diabetes.“ N Engl J Med. 2019 August 08; 381(6): 520-530. doi: 10.1056/NEJMoa 1900906).

In dieser Studie gab es 2423 Teilnehmer, wovon 1211 Teilnehmer in die Vitamin D-Gruppe und 1212 Teilnehmer in die Placebo-Gruppe „verteilt“ wurden. Unter einer Substitution von 4000 IE d3/d stieg der mittlere 25-OH-D Serum-Spiegel von 27.7 ng/ml auf 54.3 ng/ml in der Vitamin D Gruppe und von basal 28.2 ng/ml auf 28.8 ng/ml in der Placebo-Gruppe. Weitere Details zu Vitamin D sucht man aber auch hier vergeblich.

Diese Studie ergab zumindest einen leichten Trend zu einer Verbesserung von Typ 2 Diabetes im Mittel über alle Teilnehmer:

Auch in dieser Studie zeigten (über alle 2423 Teilnehmer) 42,2% schon zu Beginn der Studie einen 25-OH-D Serum-Spiegel >30ng/ml (nicht weiter detailiert). Noch schwerwiegender wird in dieser Studie berichtet, dass 1616 Teilnehmer (66,7 %) „Weiß“, 616 (25,4 %) „Schwarz“ und 191 (7,9 %) „andere Rassen“ waren, 225 (9,3 %) Hispanoamerikaner und 2198 (90,7 %) Nicht-Hispanoamerikaner.

Powe und Kollegen haben 2013 über VDBP und 25-OH-D-Status weißer und schwarzer Amerikaner berichtet (Powe et al. (2013) „Vitamin D-binding protein and vitamin D status of black Americans and white Americans“ N Engl J Med. 2013 Nov 21;369 (21):1991-2000. doi:10.1056/NEJMoa1306357) Die Stichprobe war 2085 Teilnehmer groß, also gut vergleichbar mit der Teilnehmerzahl der „T2D Prevention Studie von Anastassios et al. (2423 Teilnehmer) und der D2dCA-Studie. Powe und Kollegen berichteten einen mittleren 25-OH-D Serum-Spiegel bei schwarzen Amerikanern von 15,6 ng/ml und einen mittleren 25-OH-D Serum-Spiegel von 25,8 ng/ml bei weißen Amerikanern. Nimmt man diese Ergebnisse als Vergleichsgrundlage, käme man (selbst wenn man die „Race: other (n=191)“ in der Studie von Anastassios zu den „Weißen“ addiert) zu einem mittleren 25-OH-D Serum-Spiegel von 23,2 ng/ml aber nicht zu 28,0 ng/ml (wie in der Studie von Anastassios berichtet). Das heißt, der mittlere 25-OH-D Spiegel in der Anastassios Studie ist 20,6 % höher. Warum? Lag schon vorher bei einem Teil der Teilnehmer eine Cholecalciferol-Substitution vor? Der sich aus den Daten von Powe ergebende mittlere 25-OH-D Serum Spiegel für die gesamte Stichprobe wäre 20,0 ng/ml.

In ihrer Studie „24,25-Dihydroxyvitamin d3 and vitamin D status of community-dwelling black and white Americans.“ (Berg AH, Powe CE, Evans MK, Wenger J et al. Clin Chem. 2015 Jun;61(6):877-84. doi: 10.1373/clinchem.2015.240051. Epub 2015 Apr 28. PMID: 25922442) mit einer Stichprobe von 212 Schwarzen  und 164 Weißen betrugen die mittleren 25-OH-D-Serum-Spiegel 17,0 ng/ml (Schwarze) bzw. 27,5 ng/ml (Weiße). Der sich daraus errechnende Mittelwert der Gesamtstichprobe betrug 21,6 ng/ml. In beiden Studien war der Unterschied der 25-OH-D-Serum-Spiegel zwischen weißen und schwarzen Amerikanern signifikant (p < 0,001). In der letzteren Studie von Berg et al. wurde eine signifikante inverse Korrelation zwischen der Vitamin D Metabolit Ratio (VMR; 24,25-OH2D/25-OH-D) und Parathormon berichtet. Das bedeutet, dass die Inaktivierung von 25-OH-D zu 24,25-dOH durch die 24-Hydroxylase invers durch die Höhe das Parathormon reguliert wird. Die Höhe von Parathormon ist wiederum von der Größe des Calcium-/Magnesium-Mangels im Serum bestimmt. Eine inverse Korrelation zwischen 25-OH-D und Parathormon Serum-Spiegel wurde auch (siehe oben) schon vorher von Tangpricha 2002 berichtet, was ich in einer Untersuchung meiner Patienten bestätigen konnte (s. Löffler „Sie leiden an einer stillen Entzündung?!“). Warum diskutiere ich das hier? Es ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen (auch wenn nicht explizit angegeben), dass auch in der T2D Prevention-Studie von Anastassios die ethnische Gruppe der schwarzen Amerikaner einen signifikant tieferen 25-OH-D Serum-„Ausgangsspiel“ hatte. Wie genau die Verteilung niedriger / mittlerer / und ausreichender 25-OH-D-Spiegel zwischen schwarzen und weißen Studien-Teilnehmern war, lässt sich nicht ermitteln. Aber Anastassios et al. geben an, dass die HR (Hazard Ratio; Gefährdungs- Risiko) für Diabetes sich in der Gruppe der Schwarzen stärker verbessert hat HR (95 % CI) 0,83 (0,58-1,18) als in der Gruppe der Weißen HR (95 % CI) 0,90 (0,75-1,09). Das heißt, dass die Studie für die gestellte Frage falsch konzipiert und underpowered war. Ausserdem wurden die verschieden hohen Risiken für die Erkrankung an Typ-2-Diabetes (schwarze Amerikaner haben ein höhere als weisse Amerikaner) nicht berücksichtigt.

Klahold E et al. („Vitamin D in Type 2 Diabetes: Genetic Susceptibility and the Response to Supplementation“ Horm Metab Res. 2020 Jul;52(7):492-499. doi: 10.1055/a-1157-0026. Epub 2020 Jun 15.) konnten überzeugend belegen, dass a) eine Mutation der 25-Hydroxylase (das mutierte Enzym hat eine niedrigere Aktivität) zu niedrigeren 25-OH-D Serum-Spiegeln führt, b) zu höheren Parathormon-Spiegeln führt, c) beides ein höheres Diabetes Typ 2-Risiko mit sich bringt und d) eine Intervention (Substitution mit Vitamin D) zu einem Anstieg des 25-OH-D Serum-Spiegels und zu einer Senkung von Serum Parathormon führt. In der Arbeit von Klahold und Kollegen werden noch sehr viel mehr Mutationen in Hormon D-Stoffwechsel analysiert (VDR, VDBP, 24-Hydroxylase etc.) für die hier kein Platz zur Diskussion bleibt.

Wie schon weiter oben kurz diskutiert, habe ich bei 268 Patienten (alles Weisse) meiner Praxis den Mutationsstatus der 25-Hydroxylase und der 24-Hydroxylase analysiert. Das Ergebnis hat mich selber überrascht. Nur 40/268 (15 %) hatten keine 25- oder 24-Hydroxylase-Mutation, 75/268 (28 %) hatten keine Mutation der 25-Hydroxylase, 142/268 (53 %) wiesen eine heterozygote und 51/268 (19 %) eine homozygote Mutation der 25-Hydroxylase auf. Die mutierte 25-Hydroxylase hat eine niedrigere Enzymaktivität. Das mutierte Enzym kann also aus Cholecalciferol weniger 25-OH-D (Calcidiol) herstellen. Auf die 24-Hydroxylase will ich hier nicht weiter eingehen. Abhängig vom Mutationszustand dieses Enzyms, ist es in circa 72 % deutscher Patienten mit einer eingeschränkten Aktivität vorhanden. Deshalb bedarf es zur Vermeidung von chronischen, „25-OH-D-Mangel“-bedingten  Krankheiten einer individuellen Substitution und in Menschen mit einer eingeschränkten 25-Hydroxylase-Aktivität zu einer höheren Substitution als bei solchen mit einer vollen 25-Hydroxylase-Aktivität. Diese sollte aber nicht, wie bisher üblich, an durch Leitlinien festgelegte Mengen gebunden sein, sondern durch die Physiologie des individuellen Hormon D3-Systems bestimmt werden, was wiederum bedeutet, dass zumindest der entsprechende Serum-Spiegel gemessen werden muss, vor und nach einer Substitution.

Kommen wir nun wieder zurück zur Publikation von Powe und Kollegen. Schwarze und Weiße Amerikaner unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich ihrer 25-OH-D Serum-Spiegel signifikant, sondern auch hinsichtlich der Spiegel des VDBP.

Das Vitamin D-Binding Protein hat verschiedene genetische Strukturen, die seine Bindungsfähigkeit an 25-OH-D wiederum signifikant beinflusst. Diese unterschiedlichen Formen sind nicht nur zwischen schwarzen und weißen Amerikanern unterschiedlich verteilt, sondern auch zwischen Engländern, Festland-Europäern, Afrikanern, Chinesen und so weiter. Auch auf diese in der Literatur differenziert diskutierten Unterschiede und die sich daraus ergebende pathophysiologie Konsequenz kann ich hier nicht detaillierter eingehen. Hier nur die Analyse von Powe und Kollegen für schwarze und weiße Amerikaner aus deren Arbeit:

Zur physiologischen/pathophysiologischen Bedeutung des Vitamin D-Bindungungsproteins verweise ich zum einen auf die oben zitiere Studie von Ying H-Q et al. (2015) (Colon CA Risiko) und zitiere hier nur die Arbeit von Karras und Kollegen (Karras SN et al. (2018) „Deconvoluting the Biological Roles of Vitamin D-Binding Protein During Pregnancy: A Both Clinical and Theoretical Challenge.“ Frontiers in Endocrinology (Mini Review) 23. May 2018 doi: 10.3389/fendo.2018.00259).  Die Figur 2 dieser Arbeit zeigt die wichtigsten pathophysiologischen Bedeutungen von VDBP im Netzwerk der Schwangerschaft:

Von der Tabelle 1 dieser Arbeit gebe ich hier nur die ersten 9 von 21 hier zitierten und zusammengefassten Studien wieder, um dem Leser einen Eindruck von der fundamentalen Bedeutung von VDBP im Rahmen des Hormon D-Stoffwechsels zu geben insbesondere bei Schwangeren:

Dazu ist eigentlich nur zu sagen, dass heute jedem verantwortungsvollen Mediziner und Therapeuten dringend angeraten werden muss, bei Schwangeren, die sich in seiner Obhut befinden, den Vitamin D-Stoffwechsel zu messen – wozu mindestens 25-OH-D, freies 25-OH-D, 1,25-dOH-D und Parathormon gehören – und diese dann individuell (zusammen mit einem Ausgleich des Calcium/Magnesium/Bor-Haushaltes) mit 25-OH-D zu supplementieren.

Damit kommen wir abschliessend noch zu einer anderen wichtigen Frage: Wie kann es sein, dass fragwürdige Studien wie z.B. der erwähnte SELECT-Trial, die D2dCA-Studie oder die dieser zugrundeliegende T2D-Prevention Studie überhaupt kommentarlos von Journals publiziert werden, die – wie das NEJM – für sich in Anspruch nehmen, die Qualitätsspitze für medizinische Publikationen zu sein?

Nun, eine mögliche Antwort kann ich ihnen anbieten: Lesen sie das Buch von Marcia Angell „The Truth About the Drug Companies – HOW THEY DECEIVE US AND WHAT TO DO ABOUT IT“ (Updated, with a new chapter on the Vioxx scandal) Random House Trade Paperbacks NY 2005 ISBN 0-375-76094 -6

Marcia Angell, die frühere Haupt-Herausgeberin des New England Journal of Medizin (NEJM), ist eine amerikanische Ärztin, Autorin und die erste Frau, die als Chefredakteurin des New England Journal of Medicine fungierte. Derzeit ist sie Senior Lecturer in der Abteilung für globale Gesundheit und Sozialmedizin an der Harvard Medical School in Boston, Massachusetts. Sie trat von ihrer Funktion im NEJM zurück, weil sie die Einflussnahme der Pharmaindustrie auf die Veröffentlichungspolitik des NEJM nicht weiter mitverantworten wollte!

Und jetzt schauen wir kurz auf die Danksagungen und die finanziellen Verflechtungen der Autoren der vom Text-Verfasser nicht zitierten „Vitamin D Supplementation and Prevention of Type 2 Diabetes“- Studie, die Grundlage der D2dCA-Studie ist:

>>Acknowledgments
The planning phase of the D2d trial was funded by the National Institute of Diabetes and Digestive and Kidney
Diseases (NIDDK) through a multicenter clinical study implementation planning grant to Tufts Medical Center in
Boston (U34DK091958; principal investigator, Dr. Pittas). Planning was also supported, in part, by the Intramural Research Program of the NIDDK. The conduct of the trial was supported primarily by the NIDDK and the Office of Dietary Supplements of the National Institutes of Health through the multicenter clinical study cooperative agreement (U01DK098245; principal investigator, Dr. Pittas) to Tufts Medical Center, where the D2d Coordinating Center is based. The U01 grant mechanism establishes the NIDDK project scientist (Dr. Staten) as a member of the D2d Research Group. The trial also received secondary funding from the American Diabetes Association to Tufts Medical Center (1-14-D2d-01; principal investigator, Dr. Pittas). Educational materials were provided by the National Diabetes Education Program.

Dr. Dawson-Hughes reports receiving grant support, paid to Tufts University, from Pfizer and DSM and travel
support from Abiogen Pharma; Dr. Aroda, receiving consulting fees, paid to her institution, from Adocia, grant
support, paid to her institution, and consulting fees from AstraZeneca/Bristol-Myers Squibb, Novo Nordisk, and Sanofi, consulting fees from BD and Zafgen, and grant support, paid to her institution, from Calibra Medical, Eisai, Janssen, and Theracos; Dr. Ceglia, receiving grant support from DSM; Dr. Desouza, receiving advisory board fees from Novo Nordisk; Dr. Kim, receiving consulting fees from Sanofi; Dr. LeBlanc, receiving grant support, paid to her institution, from Merck; Dr. Neff, receiving grant support from GI Dynamics; Dr. O’Neil, receiving grant support from Weight Watchers International, advisory board fees from Janssen, advisory board fees and fees for presentations from Vindico Medical Education, fees for CME programs from WebMD, lecture fees from Robard, and grant support and lecture fees from Novo Nordisk; Dr. Phillips, receiving grant support and advisory board fees from Janssen Pharmaceuticals, receiving advisory board fees from Profil Institute for Clinical Research, receiving grant support from Merck, Amylin Pharmaceuticals, Eli Lilly, Novo Nordisk, Sanofi, PhaseBio, Roche, AbbVie, Vascular Pharmaceuticals, GlaxoSmithKline, Pfizer, and Kowa Research Institute, and serving as cofounder, officer, and board member of and holding stock in Diasyst; and Dr. Pratley, receiving lecture fees, paid to his institution, and consulting fees, paid to his institution, from AstraZeneca, consulting fees, paid to his institution, from Boehringer Ingelheim, Eisai, GlaxoSmithKline, Glytec, Janssen, Mundipharma, and Pfizer, grant support, paid to his institution, from Lexicon Pharmaceuticals, grant support, paid to his institution, and consulting fees, paid to his institution, from Ligand Pharmaceuticals, Eli Lilly, Merck, and Sanofi, grant support, paid to his institution, and lecture fees, paid to his institution, from Novo Nordisk and Takeda, and consulting fees from Sanofi US Services.<<

Hier trifft sich das Who is Who von Big Pharma. Woran verdient Big Pharma? An Krankeit oder an Gesundheit? Woran ist Big Pharma interessiert? Etwa an der präventiven Vermeidung chronischer Erkrankung, ob Krebs oder Typ-2-Diabetes oder Herzinfarkt? Ich denke, wir werden wohl schnell zu einem Konsens darüber kommen, dass Big Pharma nicht an Gesundheit interessiert ist, sondern an der Behandlung chronischer Erkrankung. Wir müssen in diesem Kontext zumindest zwei Probleme zur Kenntnis nehmen:

Das erste Problem heisst „PARADIGMA“

Unter einem Paradigma wird in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung ein Denkmuster, eine Art „Supertheorie“ verstanden, die grundlegende Probleme und Methoden weiterer Bereiche eines Faches definiert und das „Weltbild“ einer Zeit prägt. Damit ‚Normalwissenschaft‘ also überhaupt funktionieren kann, muss der Forscher dem Paradigma, in dem er arbeitet, in gewisser Weise unkritisch gegenüberstehen. Das heißt, er muss ‚glauben‘ und alles, was nicht in dieses Weltbild passt, als ‚falsch‘ (ungeprüft übrigens!) verwerfen, oder mit aller Kraft versuchen, alle Fakten, die nicht in „sein Weltbild“ passen, zu widerlegen, zumindest, sie als unglaubwürdig darzustellen. Das ist der Zweck von SELECT Trial, D2dCA Trial und T2D Prävention Trial und auch der WHI-Studie.

Das zentrale Paradigma der Pharmaindustrie, an das auch die Öffentlichkeit glaubt, ist folgendes: One Illness – One Target – One Drug. Dies ist der Glaubenssatz Nr. 1 der Pharmaindustrie und unserer „Schulmedizin“. In diesem Paradigma hat ganzheitliche Medizin, Vitalstoff-Medizin auf der Basis des von dem Nobelpreisträger Linus Pauling entwickelten Konzepts „Therapie mit körpereigenen Substanzen in pharmazeutischen Konzentrationen“ keinen Platz. Im Gegenteil, es ist für die Pharmaindustrie sowie für die von diesem „Glauben“ ebenso abhängige „Schulmedizin“ schädlich und brandgefährlich. Aus diesem Paradigma folgern Pharma-Industrie und Schulmedizin: nur Produkte der Pharmaindustrie, können – wenn überhaupt – erfolgreich sein, alles andere ist „Quatsch“, und „Evidenz“ ist das, was aus einer von der Pharma-Industrie initiierten und/oder bezahlten „Doppel-Blind“-Studie herauskommt, alles andere ist „Unsinn“.

Dieses zentrale Paradigma ist aber falsch. Die Anwendung dieses Paradigmas auf die Behandlung von Krebs – „Chemotherapie ist die einzige Option gegen Krebs“ – ist erwiesenermassen falsch. Die „Beweisführung“ (mittels Doppel-Blind-Studien) ist voreingenommen und vorsätzlich falsch.  Dass Chemotherapie in der vorgegebenen Form zum Scheitern verurteilt ist, hat schon der Onkologe Mukherjee sehr schön (und allgemeinverständlich) dargelegt. >> „But cancer is not simply a clonal disease; it is a clonally evolving disease. If growth occured without evolution, cancer cells would not be imbued with their potent capacity to invade, survive, and metastatize. Every generation of of cancer cells creates a small number of cells that is genetically different from their parents. When a chemotherapeutic drug or the immune system attacks cancer, mutant clones that can resist the attack grow out. The fittest cancer cell survives. This mirthless, relentless cycle of mutation, selection, and overgrowth generates cells that are more and more adapted to survival and growth. In some cases, the mutations speed up the aquisition of other mutations. The genetic instability, like a perfect madness, only provides more impetus to generate mutant clones. Cancer thus exploits the fundamental logic of evolution unlike any other illness. If we, as a species, are the ultimate product of Darwinian selection, then so, too, is this incredible disease that lurks inside us“<< (pp38/39 Sidhartha Mukherjee „The Emperor of all Maladies“).

Übersetzung:

[„Aber Krebs ist nicht einfach eine klonale Krankheit, sondern eine sich klonal entwickelnde Krankheit. Würde das Wachstum ohne Evolution stattfinden, hätten die Krebszellen nicht ihre starke Fähigkeit, in den Körper einzudringen, zu überleben und Metastasen zu bilden. Jede Generation von Krebszellen bringt eine kleine Anzahl von Zellen hervor, die sich genetisch von ihren Eltern unterscheiden. Wenn ein Chemotherapeutikum oder das Immunsystem den Krebs angreift, wachsen mutierte Klone heran, die dem Angriff widerstehen können. Die fitteste Krebszelle überlebt. Dieser lustlose, unerbittliche Zyklus von Mutation, Selektion und Überwachstum bringt Zellen hervor, die immer besser an das Überleben und Wachstum angepasst sind. In einigen Fällen beschleunigen die Mutationen den Erwerb anderer Mutationen. Die genetische Instabilität ist wie ein perfekter Wahnsinn, der die Erzeugung von Mutationsklonen nur noch mehr antreibt. Krebs macht sich also wie keine andere Krankheit die grundlegende Logik der Evolution zunutze. Wenn wir als Spezies das ultimative Produkt der darwinistischen Selektion sind, dann ist es auch diese unglaubliche Krankheit, die in uns lauert.]

Das zweite Problem heißt ABHÄNGIGKEIT

Unser zweites Problem – wenn ich „unser“ sage, meine ich alle Menschen, die eine Öffnung der Medizin und der Therapie von chronischen Erkrankungen für eine Vitalstoff-Medizin im Sinne von Linus Pauling wollen – ist die finanzielle Abhängigkeit der Forschung von Pharma-Geld. Die Forschung hat ihre „Jungfräulichkeit“, die sie noch in weitem Masse zu Zeiten von Marie Curi, Henri Becquerel, Wilhelm Röntgen und Albert Einstein hatte, leider verloren. Insbesondere die medizinische Forschung ist heute in großem Maße abhängig vom Geld der Pharma-Industrie. Eine unabhängige Finanzierung von Studien gibt es praktisch nicht mehr. In Deutschland werden selbst vom „Gesundheitsministerium“ nur Studien „mitfinanziert“, zu der die Pharmaindustrie vorher „JA“ gesagt hat!

Jede geplante Zulassungsstudie für ein neues Medikament testet normalerweise mindestens 3 Medikament- Konzentrationen: eine niedrige, etwas über dem „Treshold Level“ (der Treshold Level ist die Konzentration, unterhalb der kein Effekt zu erwarten ist). Eine mittlere Konzentration, von der mit höchster Wahrscheinlichkeit ein Effekt zu erwarten ist. Und eine hohe Konzentration, oberhalb der mit Nebenwirkungen zu rechnen ist. Biostatistiker berechnen im Vorfeld die Stichproben-Größe (Anzahl von Testpersonen), die benötigt wird, um einen positiven Effekt bei der Effekt-Größe X (dem Wirkpotential des neuen Medikaments) mit höchster statistischer Wahrscheinlichkeit (zumindest für die mittlere Konzentration) zu erreichen.

Warum werden aber diese fundamentalen, auf dem oben erwähnten Pharma-Paradigma basierenden, Grundsätze in den von Big Pharma finanzierten „Vitamin“-Studien (bis heute) nicht angewendet und umgesetzt? Die Vermutung, dass der Nachweis positiver Effekte in diesen Studien gar nicht erwünscht ist, liegt auf der Hand. Aus der Publikation von Turner et al. (2008) „Selective publication of antidepressant trials and its influence on apparent efficacy.“ NEJM 358: 252-300) wird zudem deutlich, was die Pharmaindustrie tut, wenn Studien aus ihrer Sicht mal „schief gehen“. Es wird selektiv publiziert: negative Studien werden gar nicht erst publiziert und gleich schubladisiert!

Schon 1974, also vor jetzt 49 Jahren wurde der „Lalonde Report“ publiziert: „A NEW PERSPECTIVE ON THE HEALTH OF CANADIANS – a working document; Marc Lalonde, Minister of National Health and Wefare“ Er begründete eine neue Forschungsrichtung mit inzwischen etlichen tausend Publikationen. Er wird, nach wie vor, wie folgt zitiert: „The Lalonde Report was published while Marc Lalonde was Canada’s Minister of National Health and Welfare, and had a transformative effect on the way world thinks about health. (Letzteres ist nach wie vor ein frommer Wunsch) It remains one of the founding documents of health promotion.”

Übersetzung:

[Der Lalonde-Bericht wurde in der Zeit veröffentlicht, in der Marc Lalonde Kanadas Minister für Gesundheit und Wohlfahrt war, und hatte eine transformative Wirkung auf die Art und Weise, wie die Welt über Gesundheit denkt. Er bleibt eines der Gründungsdokumente der Gesundheitsförderung.]

Was ist die Kernaussage des Reports:

Diese Graphik habe ich einer späteren Publikation aus diesem Bereich entnommen. Die „Message“ ist klar, maximal 10% (andere Publikationen sprechen von 5%) unserer Gesundheit werden durch unser „Gesundheitssystem“ und die Schulmedizin erhalten oder wieder hergestellt, 70 Prozent sind abhängig von Lebensstil und Umwelt. Dazu gehört Ernährung (Beseitigung von bestehenden Vitamin- und Mineralstoff-Mängeln), System-Zustände wie zum Beispiel das Hormon-D-System, Bewegung, Sport usw.. In unserem „Krankeitswirtschaftsystem“ bestehend aus Pharmaindustrie, Medizinindustrie und  dem von der Pharmaindustrie dominierten Leitlinien-System der Standard-Medizin – einer „5-Minuten-Medizin, die den Patienten und ihren Problemen nicht gerecht wird, weil sie nicht individualisiert ist – stehen pro Jahr ca. 400 Milliarden Euro (Deutschland) zur Verfügung. Alle anderen möglichen Formen der präventiven Gesundheitsvorsorge werden mit – man kann es nicht anders sagen – allen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und Kräften von diesem System, und dem ihm zugrunde liegenden Paradigma, bekämpft.

Nun zum Schluß noch kurz etwas zum Text-Verfasser, der Auslöser dieser Stellungnahme  ist.  Mit der Propaganda, die er anscheinend auch in Vorträgen in die Öffentlichkeit trägt, verunsichert er gezielt nicht nur Patienten und „Normalbürger“, sondern auch Mediziner und Therapeuten, die nicht über genügend Hintergrundwissen verfügen. Was das Ziel dieses Demagogen ist, erscheint klar: die Demontage einer sinnvollen wirkungsvollen Vitalstoff-Therapie. Es ist auf jeden Fall weder der Schutz von Patienten vor chronischen Erkrankungen noch deren ursachen-orientierte, optimale Behandlung oder gar der präventive Schutz vor der Entstehung solcher durch einen Vitalstoff-Mangel bedingten Erkrankungen!

Mit freundlichen Grüssen

Dr. med. Dipl. Biol.

Bernd-Michael Löffler